Beim Aufmarsch von rund 3800 Neonazis im bayerischen Wunsiedel anlässlich des 17. Todestages von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß hat die Polizei über 100 Personen festgenommen. Zu größeren Auseinandersetzungen oder Verletzten kam es trotz des vereinzelten Aufeinandertreffens von Rechtsextremen und Gegendemonstranten nicht.
Insgesamt seien bis zum Abend 110 Personen festgenommen worden, darunter 74 Neonazis, sagte eine Sprecherin der Polizei in Wunsiedel. Bei ihnen seien unter anderem Waffen sowie verfassungsfeindliche Symbole gefunden worden. Darüber hinaus seien vier Personen aus dem linken Lager sowie 32 weitere, die keiner der beiden Seiten zuzuordnen seien, festgenommen worden. "Zu größeren Auseinandersetzungen oder Schlägereien kam es nicht", sagte die Sprecherin.
Die Polizei hatte mit bis zu 3000 Neonazis aus ganz Deutschland sowie aus dem Ausland gerechnet und rund 1000 Polizisten und Bundesgrenzschutzbeamte aus mehreren Bundesländern im Einsatz. Bürgerinitiativen und linke Bündnisse hielten Gegenkundgebungen ab.
Traurige Tradition
Seit dem Tod von Rudolf Heß am 17. August 1987 im alliierten Gefängnis in Berlin-Spandau zieht es aus Anlass des Todestages Jahr für Jahr Neonazis an das Grab des Hitler-Stellvertreters.
Wie bereits in den Vorjahren hatte die Kleinstadt im Fichtelgebirge versucht, den Aufmarsch der Rechtsextremisten zu verhindern. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erlaubte die Kundgebung schließlich allerdings unter Auflagen. "Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken", sagte Wunsiedels Bürgermeister Karl-Willi Beck. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Stadt in den braunen Sumpf gezogen wird."
Straßenblockade der Gegendemonstranten
Die Bürger von Wunsiedel äußerten auf zahlreichen Plakaten entlang der Marschroute der Neonazis mit Aufschriften wie "Heß-liche Zeiten - Nazi-Märtyrer stinken" oder "Neonazis sind zum Lachen" ihren Protest. Vorübergehend wurde der Umzug von rund 100 Personen um Bürgermeister Beck, die sich den Rechten den Weg setzten, blockiert. Nach dreimaliger Aufforderung der Polizei räumten die Gegendemonstranten aber die Straße.

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Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hatte nach der Genehmigung der Veranstaltung erneut den Bund zu Änderungen am Versammlungsrecht aufgefordert und um Unterstützung für den Freistaat bei einem entsprechenden Vorhaben geworben.
Im vergangenen Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht den Aufmarsch in einem Eilverfahren ebenfalls genehmigt und damit ein Verbot des zuständigen Landratsamts aufgehoben. Die Verfassungsrichter argumentierten damals, allein die Befürchtung von Ausschreitungen rechtfertige kein Versammlungsverbot.