Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John, hat vor dem Treffen von Opferfamilien mit Bundespräsident Joachim Gauck Verständnis für die Absagen mancher Betroffener gezeigt. "Was erwarten wir eigentlich?", sagte John am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Die Familien hätten erst einen Angehörigen verloren und seien dann jahrelang verdächtigt worden, selbst in das Milieu verwickelt zu sein, während die Ermittler behaupteten, alles richtig gemacht zu haben. "Das muss sie empören und das kommt dann in dieser Form zum Ausdruck."
Der Bundespräsident will am Mittag Angehörige von Opfern der rechtsextremen Zelle NSU empfangen. Der Gedankenaustausch mit den Hinterbliebenen im Schloss Bellevue erfolgt wenige Tage, nachdem Gauck die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestag zum Gespräch eingeladen hatte. Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) soll für eine bundesweite Mordserie an neun Geschäftsleuten mit ausländischen Wurzeln verantwortlich sein. Bereits Gaucks Vorgänger Christian Wulff hatte Angehörige der Opfer empfangen.
John kritisierte zugleich die schleppende Aufklärung der Mordfälle. Der riesige Sicherheitsapparat mit 18 Verfassungsschutzämtern, den Landespolizeien und der Bundespolizei sei nicht in der Lage zu sagen, "wir haben versagt und wir müssen uns vollkommen ändern", sagte die Ombudsfrau. "Das wäre die eigentliche Konsequenz, die sie ziehen müssten." Stattdessen sagten die Behörden, sie hätten "im Lichte der damaligen Fakten alles richtig gemacht". Das sei ein "Irrweg", sagte John. Sie erinnerte daran, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der offiziellen Gedenkfeier vor knapp einem Jahr noch rückhaltlose Aufklärung zugesagt habe. "Jetzt müssen die Angehörigen der Opfer erleben, wie die Sicherheitsbehörden mauern und versuchen, von ihrem eigenen Versagen abzulenken", beklagt die Beauftragte der Bundesregierung. Merkel will im April oder Mai mit den Familienangehörigen zusammentreffen.