In Deutschland ist die Zahl der Patienten, denen eine Organspende helfen könnte, deutlich größer als die Zahl der transplantierten Organe. Die Politik hat bereits ein Gesetz geändert. Nun steht eine weitere wichtige Entscheidung an: Der Bundestag will am Donnerstag abschließend über zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe und einen Antrag zur Neuregelung der Organspende in Deutschland debattieren und abstimmen.
Zur Abstimmung stehen das als Widerspruchslösung bezeichnete Modell (Drucksache 19/11096), wonach zunächst alle Bürger automatisch als Organspender gelten sollen, und das als Entscheidungslösung bezeichnete Gegenmodell (Drucksache 19/11087), das eine Organentnahme nicht ohne ausdrücklich geäußerten Willen des Spenders ermöglichen soll. Die AfD-Fraktion hat einen Antrag eingebracht (Drucksache 19/11124), der zum Ziel hat, mehr Vertrauen in das Organspendesystem zu schaffen.
Was gefordert wird und was das bedeuten würde – ein Überblick:
Die "doppelte Widerspruchslösung"
Eine Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Fachpolitiker Karl Lauterbach macht sich für eine "doppelte Widerspruchslösung" stark. Sie würde das bestehende Prinzip umkehren, dass Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem Ja zulässig sind. Stattdessen soll jeder automatisch Spender sein – man soll dem aber jederzeit widersprechen können und müsste das in einem neuen Register speichern. Vor einer Transplantation müsste ein Arzt dort abfragen, ob es eine Erklärung gibt. Falls nicht und es auch sonst kein schriftliches Nein gibt, ist der nächste Angehörige zu fragen – aber nicht nach einer eigenen Entscheidung, sondern ob er ein Nein oder einen anderen Willen des Verstorbenen kennt.
Geplant ist eine große Informationskampagne für eine neue Regelung, außerdem soll jeder ab 16 Jahren dreimal direkt mit Informationen angeschrieben werden. Kommen Minderjährige als Spender infrage, wäre eine Organentnahme nur zulässig, wenn ein Angehöriger zugestimmt hat – das sind wohl meist die Eltern. Bei Menschen, die die Tragweite einer solchen Entscheidung nicht erkennen können – etwa wegen einer geistigen Behinderung – sollen Organspenden grundsätzlich tabu sein.
Die Entscheidungslösung
Eine andere Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linke-Vorsitzende Katja Kipping lehnt einen derart tiefen Eingriff in die Selbstbestimmung ab. Sie schlägt stattdessen vor, die Bürger mindestens alle zehn Jahre direkt anzusprechen. Wer ab 16 einen Personalausweis beantragt, ihn verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll auf dem Amt Informationsmaterial bekommen. Beim Abholen kann man sich dann auch schon direkt vor Ort in ein neues Online-Register eintragen – mit Ja oder Nein. Auch in Ausländerbehörden soll es so etwas geben. Selbst beraten sollen Ämter ausdrücklich nicht. Für Kinder sollen die Neuregelungen nicht gelten.
Für eine regelmäßige Aufklärung spielen in diesem Konzept auch Hausärzte eine größere Rolle. Sie können Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über Organspenden informieren und zum Eintragen ins Register ermuntern – aber ergebnisoffen und mit dem Hinweis, dass es weiter keine Pflicht zu einer solchen Erklärung gibt. Grundwissen über Organspenden soll auch Teil der Erste-Hilfe-Kurse vor einer Führerscheinprüfung werden. Im Online-Register sollen Entscheidungen jederzeit zu ändern sein.
Der Antrag der AfD
Die AfD hat einen Antrag eingebracht, in dem zunächst von einer "abzulehnenden" Widerspruchslösung die Rede ist. Das Ziel ist mehr Vertrauen in das Organspendesystem. Dafür soll der Bundestag die Regierung unter anderem auffordern, dass die Aufsicht über die Vermittlung von Organen auf eine "unabhängige öffentlich-rechtliche Institution" übertragen wird. Diese dürfe nicht mit Beteiligten im Organspendeverfahren besetzt sein.