Heute ist die Anklagebank voll: Mit versammelter Mannschaft tritt die Bundesregierung am Freitagnachmittag zur Debatte um den Panzerdeal mit Saudi-Arabien an. Auch Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle sind da, beide gehören dem Sicherheitsrat an, der das Rüstungsgeschäft angeblich schon abgenickt hat. Merkel könnte die Geheimniskrämerei beenden, ihre Beweggründe darlegen, politisch erklären, was moralisch untragbar erscheint - aber sie hüllt sich in wissendes Schweigen. Regungslos verfolgt sie, wie sich die Abgeordneten eine feurige Debatte liefern, obwohl eine entscheidende Tatsache nach wie vor nicht offiziell bekannt ist: ob der Deal wirklich stattgefunden hat. Es gibt allenfalls indirekte Bestätigungen aus Regierungskreisen.
Die Opposition jedenfalls hat den Konjunktiv schon gestrichen, sie geht vom Vollzug aus, Gregor Gysi, Fraktionschef spricht von einem "einzigartigen Skandal". Tatsächlich stünde eine Panzerlieferung im herben Widerspruch zu den Exportrichtlinien . Dort ist festgelegt, dass Rüstungsverkäufe "restriktiv" gehandhabt werden sollen, Länder wie Saudi-Arabien, in denen die Menschenrechte nicht geachtet werden, stehen eigentlich auf der schwarzen Liste. Dass das saudische Königshaus jüngst half, den Volksaufstand in Bahrein niederzuschlagen, hat die Kritik nur noch lauter werden lassen.
Das Argument Israel
Selbst unter Vertretern der schwarz-gelben Koalition rumorte es; sie forderten, zumindest über den Deal aufzuklären. "Es schadet der Regierung und es schadet auch Deutschland, wenn nur die ablehnenden Stimmen laut werden", sagte der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner, der "Rheinischen Post". Roderich Kiesewetter, CDU, beklagte bei der Bundestagsdebatte "mangelnde Transparenz". Doch Kiesewetter blieb, wie alle anderen Regierungsvertreter, offiziell auf Linie. Er sprach von Verantwortung, Werten und Interessen, die ausbalanciert werden müssten. Es gehe auch um den Schutz Israels: "Dort billigt man den Verkauf nicht nur, sondern wünscht ihn sich ausdrücklich!" Die israelische Regierung sehe die Saudis als stabilisierenden Faktor gegen den erstarkenden Iran.
Sigmar Gabriel ließ dieses Argument nicht gelten. "Es gibt keine Landverbindung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien", polterte der SPD-Parteichef. "Die Panzer sollen nicht zur Verteidigung eingesetzt werden, sondern zur Unterdrückung!" Nicht Israel solle geschützt werden, sondern die feudalen Herrscher Saudi-Arabiens. Auf einen Zwischenruf, der Gabriel gestiegene Rüstungsexporte während der rot-grünen Regierungszeit vorwarf, reagierte Gabriel gelassen: "30 Jahre lang haben wir immer Nein gesagt, wenn die Saudis Panzer von uns haben wollten."
Sozialdemokratische Sünden
Gut gebrüllt, Löwe, oder besser gesagt: gut gerechnet. Denn es ist 31 Jahre her, dass Gabriels Parteigenosse, Kanzler Helmut Schmidt, mit den Saudis über den Kauf von 151 Leopard-Kampfpanzern verhandelt hatte. Damals war ihm die eigene Fraktion in den Arm gefallen, das Geschäft kam nicht zu Stande. Aber die Argumente, die die SPD-Führung damals vorgetragen hatte, ähneln bedenklich den Argumenten, die nun Schwarz-Gelb nennt. 1980 war es SPD-Fraktionschef Herbert Wehner gewesen, der die Geheimhaltung der Beschlüsse des Sicherheitsrates verteidigte. Es handele sich um eine Angelegenheit der Regierung, nicht des Parlaments, hatte Wehner gesagt. In der aktuellen Bundestagsdebatte forderte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz nun lauthals, die Beschlüsse des Sicherheitsrats öffentlich zu machen. Und Gabriel höhnte: "Das ist doch ein Treppenwitz, dass das Parlament nicht darüber diskutieren kann. Ganz Deutschland redet darüber!" Stringent ist das nicht.
Es war Martin Lindner von der FDP, der den Finger in die sozialdemokratische Wunde legte. "In contra factum proprium" seien die Vorwürfe, sagte Lindner, sie widersprächen dem eigenen Handeln. Die Lesebrille in der rechten Hand schwenkend, resümiert der Liberale: "Sie haben immer schon geheuchelt und Sie setzen das heute fort." Zum Beweis zitierte er süffisant aus einer Liste mit klein- bis großkalibrigem Kriegsgerät, vom Maschinengewehr bis zur Panzerfaust, welche unter der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders nach Saudi-Arabien geliefert worden seien. "Und sagen Sie jetzt nicht, dass man diese Waffen nicht gegen Aufständische einsetzen könnte."
Merkel sitzt es aus
Am Ende der Sitzung stimmten die Parlamentarier über drei Anträge von Linken, SPD und Grünen ab, die den Panzerdeal mit den Saudis stoppen wollten beziehungsweise die Offenlegung der Details forderten. FDP und Union ließen die Anträge mit ihrer Regierungsmehrheit durchfallen. Einen Untersuchungsausschuss wird es wohl nicht geben, die angekündigte Verfassungsklage des Grünen Hans-Christian Ströbele ist noch in weiter Ferne. Zufrieden verließ Kanzlerin Merkel nach den Abstimmungen das Plenum. Sie hatte sich kein einziges Mal zu Wort gemeldet. Sondern die Sache einfach ausgesessen.