Parteiausschluss Wenn Genossen rot sehen

  • von Sebastian Christ
Heute entscheidet der SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen, ob der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement aus der Partei ausgeschlossen wird. Bisher sieht es eher nicht danach aus - was besonders die Sozialdemokraten aus seiner Heimatstadt Bochum auf die Palme bringt.

Wenn Roland Koch findet, dass ein Sozialdemokrat Recht hat - dann muss schon etwas Denkwürdiges passiert sein. Es war in der heißen Phase des Hessen-Wahlkampfs vor gut sechs Monaten, als sich das stetige Kopfschütteln des Ministerpräsidenten für einige kurze Momente in ein Nicken verwandelte.

Eine Woche vor dem Wahlsonntag hatte sich der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag" zu Wort gemeldet. Darin kritisierte der Westfale das Konzept zur Energiepolitik von Kochs Rivalin Andrea Ypsilanti. Ihre Ablehnung von Großkraftwerken könne den "Preis der industriellen Substanz Hessens" kosten, schrieb er. Die Wähler sollten genau nachdenken, wem sie Verantwortung für das Land geben wollten. Manche interpretierten das Wahlempfehlung für Koch. Die SPD landete bei der Wahl 3500 Stimmen hinter der CDU. Nicht auszuschließen, dass einige Ypsilanti-Sympathisanten noch kurz vor Schluss vom Genossen Wolfgang zum Schwarzwählen verleitet wurden.

Der Vorfall hat jetzt ein parteiinternes Nachspiel. Heute verhandelt der SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf über den Parteiausschluss von Clement. Den Antrag dazu hatte der Ortsverband Bochum-Hamme gestellt. "Der Clement ist ein Wiederholungstäter", sagte der Ortsverbandsvorsitzende Rudolf Malzahn der Deutschen Presse-Agentur. "Der soll seinen Mund halten, oder er geht aus der Partei raus." Neben den Bochumern unterstützen sechs weitere SPD-Verbände den Rauswurf Clements, darunter auch die Frankfurter SPD.

"Charakterlicher Abstieg"

Der hessische SPD-Politiker Hermann Scheer hatte schon im Januar ein Parteiausschlussverfahren für Clement gefordert. Im Interview mit stern.de sagte er damals: "Es tut weh, dass Wolfgang Clement einen solchen charakterlichen Abstieg genommen hat. Zumal deutlich ist, dass er als RWE-Mann redet, und nicht als Politiker", so Scheer über Clement, in Anspielung auf dessen neue Tätigkeit beim westdeutschen Energieriesen. "Wenn es jedenfalls einen Grund für ein Parteiausschlussverfahren gibt, dann hat er ihn geliefert. Es ist parteischädigendes Verhalten schwerwiegender Art, wenn man kurz vor der Wahl dazu aufruft, eine andere Partei zu wählen."

Aktiv wurde indes die SPD in Bochum-Hamme. Der Vorstand forderte Clement zweimal schriftlich auf, die SPD aus eigenen Stücken zu verlassen. Ende Februar stellten die Sozialdemokraten aus dem Ruhrgebiet dann den formellen Antrag auf Parteiausschluss. In dem Papier wird konkret Bezug auf eine "Hart aber fair"-Sendung vom Januar genommen, in der Clement abermals Yspilanti kritisierte. "Diese wiederholte Attacke von Wolfgang Clement stellt gegenüber seiner und unserer Partei ein in höchstem Maße parteischädigendes Verhalten dar sowie eine politisch ehrlose und unsolidarische Charakterlosigkeit", heißt es in dem Antrag. "Derartige politische Illoyalität und Hinterhältigkeit zu erdulden, würde in unserer Partei den Wahlkampf-Einsatz und die politische Praxis von vielen Zigtausenden Wahlkämpfern und Parteimitgliedern verhöhnen sowie einen Teil der Wähler weiterhin verunsichern." Die SPD in Bochum-Hamme folgert daraus: "Deshalb ist sein Ausschluss aus der SPD unumgänglich."

Schily als Verteidiger

Ob es soweit kommt, ist dennoch fraglich. Die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Bochum hatte Clements Parteiausschluss auf diesen Antrag hin in erster Instanz einstimmig abgelehnt und ihm lediglich eine "Rüge" erteilt. Die SPD Bochum-Hamme hatte gegen das Urteil Widerspruch eingelegt.

Auch Clement war mit dem Schiedsspruch nicht zufrieden und will nun vor der Schiedskommission des Landesverbandes die Rücknahme der Rüge erreichen. Ihm zur Seite steht als Verteidiger kein Geringerer als Otto Schily, sein früherer Kabinettskollege. Der Rechtsanwalt hat angekündigt, "alle Instanzen ausschöpfen" zu wollen, um Clements möglichen Ausschluss aus der SPD zu verhindern.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Bochumer Sozialdemokraten gaben sich trotzig. Malzahn sagte: "Clement hat sich doch selbst ein Armutszeugnis ausgestellt, wenn er Schily mitbringt. Wir kommen ohne Rechtsbeistand."