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Plagiatsverfahren Schavan kämpft um ihr Lebenswerk

Die Uni Düsseldorf entscheidet, ob sie gegen Annette Schavan vorgeht. Die Bildungsministerin könnte ihren Doktortitel verlieren - und noch viel mehr.
Von Christian Bartlau und Sebastian Schneider

Es trifft mich. Es trifft mich im Kern. Es trifft den Kern von dem, was mir wichtig ist." Diese drei Sätze, geäußert in der "Süddeutschen Zeitung", verraten, was für Annette Schavan (CDU) an diesem Dienstag auf dem Spiel steht. Dann entscheidet der Rat der Philosophischen Fakultät, ob er ein Verfahren zur Aberkennung von Schavans Doktortitel eröffnet. Im Mai 2012 hatte ein anonymer Blogger auf der Internetseite schavanplag.wordpress.de vermeintliche Plagiate in Schavans Doktorarbeit veröffentlicht, ein von der Universität bestelltes Gutachten attestierte ihr eine "leitende Täuschungsabsicht".

Seit 18 Jahren ist Schavan Bildungsministerin, die ersten zehn Jahre in Baden-Württemberg, seit 2005 in der Bundesregierung. Ihre politische Karriere besteht aus diesem Amt. Gewinnt die CDU die Bundestagswahl im September, will Schavan auch danach auf ihrem Posten bleiben - wenn sie bis dahin durchhält.

Wissenschaft als Heimat

Verliert sie ihren Doktorgrad, verliert sie auch ihren Ministerposten, soviel scheint klar. Das wäre für sie nicht nur politisch, sondern auch persönlich eine Katastrophe. Schavan betrachtet die Wissenschaft als ihr Zuhause, anders als der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Über seine Plagiatsaffäre sagte sie im März 2011 in der "Süddeutschen Zeitung": "Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich." Der "Lügenbaron" machte sich nach der Aberkennung seines Titels von dannen, übersiedelte in die USA, spricht nun auf Konferenzen und bekleidet einen ebenso wohlklingenden wie unbedeutenden Posten bei der Europäischen Union. Er braucht den Titel nicht zwingend. Schavan hingegen wäre ohne Doktorgrad eine Ausgestoßene. Sie, die Ministerin für Bildung und Forschung, Honorarprofessorin und Vorsitzende der deutschen Wissenschaftskonferenz.

Deswegen geht Schavan mit aller Macht gegen ihr drohendes Schicksal an. Sie ließ der Universität eine 15-seitige Stellungnahme zukommen, in der sie ihre Arbeit verteidigte. Angeblich, so berichtet der "Spiegel", kramte sie dafür sogar ihre alten Zettelkästen hervor. Als das vertrauliche Universitäts-Gutachten in der Presse auftauchte, schickte sie ihre Anwälte los - und erreichte, dass die Universität vorerst schwieg. Angeblich soll sie auch bereit sein, mit allen juristischen Mitteln zu verhindern, dass ihr der Doktortitel aberkannt wird.

Aufstellung fürs Bundestagsmandat

Von Schavans Attacken getroffen, ließ sich die Universität Düsseldorf sogar ein eigenes Gutachten erstellen. Ein externer Rechtsgutachter bestätigte, die Prüfung von Schavans Doktorarbeit sei rechtlich einwandfrei abgelaufen. Zu Schavans Überlebenskampf gehört auch, dass sie am kommenden Freitag für das Bundestagsmandat in ihrem Wahlkreis Ulm/Alb-Donau aufstellen lassen will. Ihre Begründung klingt vermessen, unterstreicht aber ihr eigenes Verständnis: "Ich trete am 25. Januar an. Das bin ich der Wissenschaft schuldig." Allein: Ihr Schicksal liegt letztlich in der Hand der Universität Düsseldorf. Zwar soll der Plagiatsvorwurf laut der "Süddeutschen Zeitung" abgeschwächt worden sein - die Ministerin solle nicht absichtlich getäuscht haben, sondern nur gegen gängige Regeln wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen haben. Dennoch geht es weiterhin um einen Doktortitel.

Unklare Dauer des Verfahrens

15 Mitglieder dürfen im Fakultätsrat abstimmen, acht Professoren sind darunter, vier Mitarbeiter und drei Studenten. Sie äußern sich nicht zum Verfahren. Aber es gibt nur drei Möglichkeiten, wie sich der Rat entscheidet. Entweder, er nimmt kein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels auf. Annette Schavans Ruf wäre beschädigt, aber ihr Job wohl gerettet. Oder der Rat vertagt die Entscheidung, weil seine Mitglieder mehr Zeit brauchen, um sich vorzubereiten. Nimmt der Rat aber das Verfahren auf, ist völlig ungewiss, wie lange er dann dafür braucht. "Der Rat kann alle Quellen heranziehen, die er wünscht. Er kann Annette Schavan um eine Stellungnahme bitten, weitere Gutachten anfordern oder Experten anhören", sagt ein Sprecher der Universität zu stern.de.

Dieser Prozess kann nur eine Woche dauern, wie im Fall zu Guttenberg, oder mehrere Monate, wie in den Fällen der FDP-Europaabgeordneten Jorgo Chatzimarkakis und Silvana Koch-Mehrin. Dass sich der Fakultätsrat aber erst nach den Bundestagswahlen entscheidet, ist unwahrscheinlich - auch wenn das der Union und Angela Merkel im Wahlkampf entgegenkäme. Im Schnitt dauert ein solches Verfahren zirka zwei Monate.

Vier Ehrendoktortitel

Was Schavan in jedem Fall bliebe, selbst wenn ihr der Titel aberkannt würde, sind ihre vier Ehrendoktortitel: aus Kairo, Jerusalem, Japan und China. Es wäre ein schwacher Trost.

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