Ist Michael Kretschmers Osterurlaub-Absage "ehrlich, aber psychologisch fatal", wie die "Nürnberger Zeitung" meint, oder angesichts der neuen Corona-Mutanten einfach nur unerlässlich, wie die "Welt" schreibt? Sicher ist. Auf Begeisterung stoßen die Äußerungen von Sachsens CDU-Ministerpräsident nicht. In der "Bild am Sonntag hatte er postuliert: "Ich bin dafür, Wahrheiten auszusprechen: Osterurlaub in Deutschland kann es dieses Jahr leider nicht geben". Damit liegt er auf einer Linie mit SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der ebenfalls nicht davon ausgeht, "dass wir in diesem Jahr Osterurlaub machen können", wie er der "Welt" sagte.
Als Begründung nannte Kretschmer die "zu große Mobilität bereits im April, die Gift" sei. "Wir würden alles zerstören, was wir seit Mitte Dezember erreicht haben", so der Ministerpräsident. Sein Brandenburger Kollege Dietmar Woidke (SPD) vertritt eine ähnliche Linie. "Auf touristische Reisen, auf Tagesausflüge, auf jegliche nicht notwendige Fahrt sollte jetzt dringend verzichtet werden", sagte er, es sei "jetzt nicht die Zeit für Reisen".
Überparteilicher Widerspruch
Wenig überraschend aber folgt prompt Widerspruch, etwa von Berlins Regierendem Bürgermeister Müller (SPD): "Das teile ich so pauschal nicht. Und ich glaube, es ist auch verfrüht, das so festzulegen", sagte er in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Man habe es in den vergangenen sechs, sieben Wochen geschafft, doch um 100 Punkte runterzukommen. "Warum soll es uns nicht jetzt gelingen, in den nächsten sechs, sieben Wochen bis Ostern noch einmal 30 Punkte runterzukommen. Und damit ja doch viel mehr Freiheit und Normalität zurückzugewinnen."
Ähnlich der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther: "Wir haben in der letzten Ministerpräsidentenkonferenz einen klaren Fahrplan verabredet, eine Öffnungsstrategie auch für die Bereiche Gastronomie und Beherbergung zu erarbeiten. Ich halte nichts davon, dies nicht mal eine Woche später infrage zu stellen“, sagte der CDU-Politiker. "Unser Ziel muss es sein, ein anderes Ostern erleben zu können als im vergangenen Jahr."
Kritik an Kretschmers Ansage kam auch von der Linke. "Wenig im Griff, aber Hauptsache eine Meldung. Das ist die Linie von Ministerpräsident Kretschmer", sagte Jan Korte, parlamentarischer Geschäftsführer der Linke-Fraktion, der "Welt". Anstatt einen nachvollziehbaren, sicheren und logischen Plan zu entwickeln, werde wahllos irgendeine Maßnahme rausgehauen. Auch von der FDP kam Kritik. "Bei Herrn Kretschmer setzt sich Merkels Kurs der Perspektivlosigkeit fort", sagt Vizefraktionschef Michael Theurer. "So zermürbt man die Menschen. Sie brauchen aber eine Perspektive."
Kommt eine dritte Welle mit Mutanten?
Sowohl Kretschmer als auch Lauterbach hatten ihre Absage an den Osterurlaub vor allem mit Reiseverkehr und vermehrten Kontakten begründet. So sagte Lauterbach weiter: Die Osterwochen müssten genutzt werden, mit möglichst geringen Kontakten die noch immer drohende dritte Welle in der Corona-Pandemie mit den gefährlichen Mutationen abzuwenden. "Ich wäre schon froh, wenn wir es ohne dritte Welle bis Ostern überhaupt schaffen", so Lauterbach. "Sollte dies gelingen, darf der Erfolg nicht im Urlaub zerstört werden."