Die Chancen auf eine Einigung zwischen Bund und Ländern über wichtige Reformprojekte im Vermittlungsausschuss werden von der Union eher skeptisch beurteilt. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel äußerte sich in der "Bild am Sonntag" zurückhaltend über die Möglichkeiten, die Steuerreform von 2005 auf 2004 vorzuziehen. Die Beschlüsse des SPD-Parteitags zur Ausbildungsplatzabgabe und zur Erbschaftsteuer würden dem Investitionsklima im Land schaden.
"Ich sehe das Vorziehen der Steuerreform aber vor allem durch den Streit der Regierung mit der EU-Kommission sehr belastet", sagte Merkel. Die EU-Finanzminister entscheiden in der nächsten Woche, ob sie Deutschland einen schärferen Sparkurs vorschreiben. Auch der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach sagte der "Welt am Sonntag", er sehe das Vorziehen der Steuerreform gefährdet, wenn sich die Bundesregierung nicht um die Einhaltung des europäischen Stabilitätspakts bemühe.
Dabei könnte die geplante Steuerentlastung nach einem "Focus"-Bericht deutlich geringer als angenommen ausfallen. Das ergebe sich aus Berechnungen des Finanzministeriums, berichtet das Nachrichtenmagazin. Danach verringere sich die Entlastung einer vorgezogenen Steuerreform (15,6 Milliarden Euro) etwa durch Kürzungen bei der Pendlerpauschale oder Erhöhungen bei Gewerbe- und Tabaksteuer auf 5,7 Milliarden Euro. Unter Hinweis auf die laufenden Beratungen sagte ein Ministeriumssprecher am Samstag, solche Berechnungen seien in seinem Haus noch nicht angestellt worden.
Merkel will für Kommunen kämpfen
Merkel kündigte außerdem harte Verhandlungen im Vermittlungsausschuss an, um Geld in die leeren kommunalen Kassen zu bringen. Für die Stärkung der Finanzkraft von Gemeinden würden im Ausschuss bis Weihnachten wichtige Weichen gestellt, sagte sie auf dem Jahreskongress der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU/CSU am Samstag in Halle. Angesicht der «atemabschnürenden» Finanzsituation fehlten den Kommunen Spielräume, um gestaltende Politik zu machen.
Mindestlohnregelung "blanker Unsinn"
Nach den Worten von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer werden die unionsregierten Länder der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nur zustimmen, "wenn auch Langzeitarbeitslose eine Arbeit unter dem ortsüblichen Lohnniveau annehmen müssen". Die kurz vor Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag auf Druck der SPD-Linken aufgenommene Mindestlohnregelung für Langzeitarbeitslose bezeichnete Meyer in der Potsdamer "Märkischen Allgemeinen" als "blanken Unsinn".
Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), Hubertus Schmoldt, bekräftigte in der "Welt am Sonntag" die Forderung der Gewerkschaften nach einem Vorziehen der Steuerreform. "Das erfordert Kompromissfähigkeit von allen. Aber die Reform darf nicht zur Erpressung missbraucht werden, um die Tarifautonomie auszuhebeln." Schmoldt forderte die Gewerkschaften zugleich auf, sich aktiv an der Reformdiskussion zu beteiligen. Andernfalls "verlieren wir Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung."