Regierung Ein Jahr Schwarz-Rot

Traditionell zum einjährigen Jubiläum tritt die Regierung im Bundestag zum Rapport an. Dann wird die Generaldebatte meist zur Generalabrechnung, auch, wenn die regierenden Politiker ganz zufrieden mit sich sind.

Genau ein Jahr nach der Wahl von CDU-Chefin Angela Merkel zur Kanzlerin wollen Koalition und Opposition heute im Bundestag eine erste Bilanz des Bündnisses aus Union und SPD ziehen. Anlass ist die Generalaussprache über den Kanzler-Haushalt, die von der Opposition traditionell zur Abrechnung mit dem Regierungskurs genutzt wird. Merkel, die am 22. September 2005 zur Nachfolgerin von SPD-Kanzler Gerhard Schröder gewählt wurde, will in ihrer Rede auch zu Schwerpunkten der Regierung im kommenden Jahr Stellung nehmen.

In der "Bild"-Zeitung zog Merkel eine positive Zwischenbilanz ihrer Regierung. "Die große Koalition hat in zwölf Monaten mehr gemacht als manche andere Regierung in Jahren", sagte Merkel. Zugleich kündigte sie an, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr "einige Dinge angehen" werde, "die so noch nicht im Koalitionsvertrag stehen". Beispielsweise "müssen wir die Einkommenssituation der Arbeitnehmer stärker an die Entwicklung der Kapitaleinkünfte koppeln", sagte Merkel. "Beim CDU-Parteitag machen wir zu Gunsten der Arbeitnehmer einen Vorschlag für so genannte Investivlöhne, der für die SPD interessant und ein Projekt für die Koalition sein könnte."

"Wenn jemand nicht ängstlich ist, dann Merkel"

Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) wies wiederholte Forderungen aus der Koalition nach einem autoritäreren Führungsstil von Merkel zurück. Er sagte der "Berliner Zeitung": "Das Basta von Gerhard Schröder hat sich nicht bewährt. Warum sollte ein Stil, der zum Scheitern geführt hat, für uns ein Vorbild sein?" Anders als der Ex-Kanzler führe Merkel "stark und vom Ergebnis her".

De Maizière erklärte, die öffentliche Zurückhaltung der Kanzlerin habe nichts mit Angst vor den Unions-Ministerpräsidenten zu tun. "Angst ist ein Wort, das man mit Angela Merkel überhaupt nicht verbinden kann", sagte er. "Wenn es jemanden gibt, der nicht ängstlich ist, dann sie." Unterschiedliche Interessen von Bund und Ländern seien völlig normal. Sie träten nur in der jetzigen Konstellation, in der die Regierungsparteien in Bundestag und Bundesrat die Mehrheit haben, stärker zu Tage.

Wählerauftrag "ins Gegenteil verkehrt"

Die Gewerkschaften forderten die Regierung zum Jahrestag zu einem Kurswechsel in der Sozialpolitik auf. Dagegen verlangten die Arbeitgeber ein höheres Reformtempo vor allem in der Arbeitsmarktpolitik.

DGB-Chef Michael Sommer sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Union und SPD hätten ihr Ziel verfehlt und den Wählerauftrag "geradezu ins Gegenteil verkehrt". Die Wähler hätten bei der Bundestagswahl die "Agenda 2010" der SPD als auch die Leipziger Beschlüsse der CDU "abgestraft" und soziale Gerechtigkeit eingefordert. Sommer warnte die Union davor, sich bei ihrem Parteitag in einer Woche für eine Lockerung des Kündigungsschutzes auszusprechen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Hingegen sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt der "Passauer Neuen Presse": "Wir brauchen eine neue Arbeitsmarktverfassung mit einem vereinfachten und deregulierten Arbeitsrecht." Mit der jetzigen Koalition bewege sich auf diesem Gebiet nichts. Darüber hinaus seien die Zielsetzungen des Koalitionsvertrages "bei weitem noch nicht erreicht". Hundt warnte vor Kursänderungen bei der geplanten Unternehmensteuerreform.