Bundeskanzler Gerhard Schröder hat der Opposition in Bund und Ländern Zusammenarbeit bei den anstehenden Reformen angeboten. "Wir suchen die konstruktive Zusammenarbeit mit der Mehrheit im Bundesrat", sagte Schröder in seiner Regierungserklärung im Bundestag. Die Bevölkerung erwarte gemeinsames Handeln der Parteien, "weil es um unser Land geht". Dies gelte nicht nur für das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004.Die Kritik aus der Union an den Plänen zum Vorziehen der Steuerreform wies er zurück: "Nur Nein-Sagen geht nicht mehr".
Union will keine "Detaildebatte"
Koalition und Opposition warfen einander vor, keine oder nur verschwommene Vorschläge zur Finanzierung der Steuersenkungen zu machen. Die Union will nach Worten ihrer Fraktionschefin Angela Merkel nur mit der Koalition über das Vorziehen der Entlastungen verhandeln, wenn Schröder ein klares Konzept vorlegt. Für den Fall, dass er dies nicht tut, forderte sie den Rücktritt des Kanzlers. "Dann müssen Sie den Platz, auf dem Sie sitzen, verlassen - und zwar umgehend." Schröder wolle das Prinzip umdrehen, dass die Regierung Pläne vorlege und die Opposition reagiere. Dies lasse die Union nicht zu. Sie werde "keine Detaildebatte" führen.
Zitate
"Wenn Sie dieses Angebot ausschlagen, glaube ich nicht, dass Sie sonderlich viel davon haben werden." (Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag im Bundestag nach seiner Aufforderung an die Union, beim Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform und anderen Reformen zusammen zu arbeiten.)
"Was ist die Richtung Ihrer Politik? Man muss es ja wenigstens quartalsweise wissen." (Die CDU-Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag in ihrer Antwort auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers.)
"Wir sind die Kraft, die Sie in Bewegung versetzt." (CDU-Chefin Angela Merkel am Donnerstag im Bundestag in ihrer Antwort auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers.)
"Richtung unklar"
Die Vorsitzende der Unionsfraktion, Angela Merkel, warf Schröder vor, die Richtung seiner Reformen sei unklar. Die CDU-Partei- und Fraktionschefin hat die Vorlage von Finanzierungsvorschlägen für das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe zur Bedingung für Verhandlungen über eine gemeinsame Gesetzgebung gemacht. Ohne die Vorlage solcher Vorschläge werde es keine Debatte über Details geben, sagte Merkel in ihrer Antwort auf die Regierungserklärung. Bei einer Vorlage könne sofort verhandelt werden, auch in der Sommerpause, sagte Merkel.
Sparen nicht zu Selbstzweck
Schröder sagte, Sparen sei für die Regierung kein Selbstzweck. Die Reformen am Arbeitsmarkt werden nach seiner Einschätzung kurzfristig Wirkung zeigen. "Schon im nächsten Jahr werden wir in Deutschland einen Arbeitsmarkt geschaffen haben, der so offen und anpassungsfähig ist, wie es seit Jahren nicht der Fall war." Er bezog die Gewerkschaften dabei ausdrücklich mit ein.
Kanzler: "Nix zerreden"
Der Kanzler warnte davor, die Impulse der Steuersenkungen für die Konjunktur "zu zerreden". Er verteidigte den Plan, die Steuererleichterungen durch einen Mix aus Subventionsabbau, Privatisierungserlösen und Krediten zu ermöglichen. "Was wir tun, haben wir vernünftig durchgerechnet. Und wir wissen, dass Deutschland das schultern kann." Alle forderten Kürzungen der Staatshilfen, "außer es trifft sie selbst". Wer gegen Subventionsabbau sei, müsse Gegenvorschläge machen.

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Im Herbst kommen Rente und Pflegeversicherung dran
Der Kanzler kündigte ein "hohes Tempo" in der Reformpolitik an. Er bekräftigte sein Vorhaben, im Herbst die Rentenreform zu überarbeiten. Die Rentner müssten dabei keine Abstriche an ihrem Lebensstandard fürchten, sagte Schröder. Die Vorsitzenden der Fraktionen von SPD und Grünen, Franz Müntefering und Krista Sager, unterstützten die Linie, mit Einschnitten im Rentensystem den Beitragssatz stabil bei 19,5 Prozent zu halten. Da dies fünf bis sechs Milliarden Euro koste, seien "nicht populäre" Einschnitte nötig. Darüber und über die Pflegeversicherung müsse im Herbst gesprochen, betonten die Fraktionschefs.
Westerwelle für Neuwahlen
FDP-Chef Guido Westerwelle sagte Schröder erneut Unterstützung bei Steuersenkungen zu, falls sie von Strukturreformen begleitet und seriös finanziert würden. "Hüten Sie sich davor, das Gift der Schulden zu schnell zu nehmen." Westerwelle betonte allerdings, das beste Konjunkturprogramm wäre, der Kanzler "würde abtreten und den Weg frei machen für Neuwahlen".
Zwischenrufe von Besuchern
Die Regierungserklärung Schröders wurde durch lautstarke Zwischenrufe eines Besuchers gestört. Der Mann, der den Kanzler heftig beschimpfte, wurde von Saaldienern nach heftiger Gegenwehr aus dem Saal befördert.