Rücktrittsgerüchte Schröder spricht von grobem Unfug

Angeblich gibt es in der SPD-Spitze ernsthafte Überlegungen, die Neuwahl-Pläne aufzugeben und Kanzler Schröder durch einen Kanzler Müntefering zu ersetzen. Schröder und die Spitzengenossen dementieren heftig.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Gerüchte über seinen Rücktritt zurückgewiesen. "Ich habe gesagt, ich möchte Neuwahlen", sagte Schröder am Dienstagnachmittag bei einem Besuch in Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Er denke, dass mehr als 70 Prozent der Bevölkerung das auch so sähen.

Die Nachrichtenagentur DDP hatte gemeldet, im SPD-Vorstand sei über das Szenario beraten worden, dass Schröder entgegen den bisherigen Plänen zurücktreten und die Wahl Münteferings zum Kanzler durch den Bundestag ermöglichen könne. Hintergrund seien die guten Umfragewerte von Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) gegenüber dem Kanzler.

Schröder sah den Ursprung der Gerüchte in den Parteizentralen der Opposition. "Ich habe wirklich nicht vor, allen groben Unfug, der von dem einen oder anderen in die Welt gesetzt wird, zu kommentieren." Zugleich appellierte Schöder an die Seriosität der Medien, nicht hinter jeder "dahergelaufenen Meldung" hinterher zu rennen.

Die SPD-Führung hat einen Bericht dementiert, wonach sie einen Rücktritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Gunsten von Parteichef Franz Müntefering erwäge. "Die Meldung ist erstunken und erlogen", sagte Generalsekretär Klaus Uwe Benneter am Dienstag zu einer entsprechenden Meldung der Nachrichtenagentur DDP. "Sie entbehrt jeder Grundlage."

Müntefering soll Stimmungsumschwung herbeiführen

Dem Bericht des Münchner DDP-Büros zufolge sieht das Szenario vor, dass Müntefering bis Ende der regulären Wahlperiode 2006 versuchen solle, einen Stimmungsumschwung herbei zu führen. Ein führendes SPD-Mitglied habe der Agentur gesagt, dieser Plan sei im Partei-Bundesvorstand bereits "detailliert besprochen worden", ohne dass eine endgültige Entscheidung gefallen sei. Mitglieder des SPD-Vorstands dementierten die Meldung postwendend.

Angesichts der steigenden Beliebtheit von Unions-Kanzkerkandidatin Angela Merkel fühle sich Schröder "geschockt", schreibt DDP, und daher habe sich der Kanzler ein dreiwöchiges Ultimatum gestellt: Sollten sich seine Sympathiewerte in dieser Zeit nicht bessern, werde er für Müntefering den Weg frei machen.

"Meldungen erstunken und erlogen"

Aus der SPD-Parteizentrale waren allerdings heftige Dementis zu hören: Sprecher Lars Kühn sprach in Berlin von "totalem Unfug". "Die Meldung ist erstunken und erlogen", sagte Generalsekretär Klaus Uwe Benneter, sie entbehrt jeder Grundlage." Auch der bayerische SPD-Chef Franz Maget, der ebenfalls Mitglied des SPD-Vorstands ist, dementierte den Bericht. Er habe von der ersten bis zur letzten Minute an der Sitzung des Vorstandes in Berlin teilgenommen, und ein derartiger Plan sei nie besprochen worden, sagte Maget. "So einen Blödsinn kann niemand berichtet haben, weil das Thema nicht besprochen worden ist.", sagte Maget stern.de. Ein anderes Mitglied des SPD-Vorstands bezeichnete den Bericht als "Unsinn".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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In der Vorstandssitzung am Montag sei lediglich über den Plan für Neuwahlen im September nach einer Vertrauensfrage im Bundestag gesprochen worden, hieß es. Schröder will am 1. Juli absichtsvoll die Abstimmung verlieren, damit Bundespräsident Horst Köhler anschließend den Bundestag auflösen und eine Neuwahl des Bundestages ausschreiben kann. Wie DDP weiter berichtet, werde das Szenario in der SPD-Spitze auch als Ausweg aus den verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten gesehen, die mit einer Neuwahl und eventuellen Klagen gegen ein absichtliches Misstrauensvotum verbunden wären.

Schröder sagte, dass für die Neuwahl des Bundestags ein verfassungskonformer Weg eingehalten werde. Über Einzelheiten würden zunächst das Parlament und Bundespräsident Horst Köhler unterrichtet. Vorher werde er in der Öffentlichkeit nichts dazu sagen – "so habe ich es immer erklärt, und dabei bleibe ich", sagte der Kanzler.

Weitere Überraschungen hätten nicht überrascht

Berlin ist derzeit voll von Gerüchten und Strategiefantasien jedweder Art. Nach dem überraschenden Neuwahl-Coup des Kanzlers am 22. Mai wird der Schröder-Regierung deshalb auch zugetraut, noch mit weiteren Überraschungen aufzuwarten. Der Plan, Müntefering als Schröder-Nachfolger ins Kanzleramt zu schicken, hat für die SPD theoretisch dabei sogar einen gewissen Charme.

Sie hätte noch ein Jahr Zeit, sich neu zu sortieren, sich nach links zu orientieren und so den vermeintlichen Schröder-Ballast abzuwerfen. Allerdings ist mehr als fraglich, ob die Genossen bei den Bürgern nun mit so einer Strategie punkten könnten, wenn sie die Wahlen doch noch verschieben würden. Sie würden als Bremser dastehen. Außerdem ist es mehr als zweifelhaft, dass so ein Geheimplan in einem Gremium von der Größe des Parteivorstands besprochen würde. Bei mehr als 40 Mitgliedern dürfte eigentlich fest davon ausgegangen werden, dass irgendjemand mit der Presse spricht.

nk/güs mit Material von DPA