Schwarz-gelbe Haushaltspolitik "Ich lebe im Prinzip Hoffnung"

  • von Sven Becker
Finanzminister Wolfgang Schäuble hat den Etat 2010 vorgelegt - der selbst Experten aus der eigenen Partei in Erklärungsnot bringt. Ein Ortstermin mit Herrn Barthle von der CDU.

Die Bundesregierung müsste im kommenden Jahr dringend sparen, niemand weiß das besser als Norbert Barthle: "Steuermindereinnahmen: 43 Milliarden; Arbeitsmarkt: 23 Milliarden; Zuschuss für die Krankenversicherung: 10 Milliarden; Konjunkturpaket: knapp 3 Milliarden; Sofortprogramm der neuen Bundesregierung: 1 Milliarde. Macht zusammen rund 80 Milliarden Euro Neuverschuldung", sagt Barthle und blickt von seinen Unterlagen hoch. Dienstagnachmittag, Deutscher Bundestag, Paul-Löbe-Haus, Raum 502, Pressekonferenz des haushaltspolitischen Sprechers der Unionsfraktion. Die Bundesregierung wird im nächsten Jahr Rekordschulden machen und trotzdem Steuern senken - und zwanzig Journalisten wollen vom CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle wissen, wie das zusammen passt.

Barthle, 57, Deutschland-Fähnchen am Revers, geboren in Schwäbisch Gmünd, als waschechter Schwabe wie gemacht für den Job. Seit 1998 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Zuerst saß Barthle im Finanzausschuss, seit 2002 im Haushaltsausschuss. Nach der Bundestagswahl im Herbst hat ihn die CDU/CSU-Fraktion zum haushaltspolitischen Sprecher gewählt. "Ich fühle mich in dem Bereich zu Hause", sagt Barthle. Seine Aufgabe als Ober-Haushälter der Union sollte es jetzt sein, der Bundesregierung zu sagen, dass sie dringend sparen sollte. Ab 2011 muss der Bund 30 Milliarden Euro weniger ausgeben, sonst verstoßen die Haushaltsgesetze gegen die neue Schuldenbremse im Grundgesetz. Wo wird also gespart, Herr Barthle?

"S'isch wie's isch!"

"Ich kann ihnen für 2010 schlecht eine Größenordnung sagen", sagt der Haushaltsexperte. Das müsse er zunächst mit den FDP-Kollegen beraten, doch so viel stehe fest: "Ich sehe keine allzu großen Spielräume mehr. Die Steuermindereinnahmen können wir nicht wegdiskutieren, die höheren Kosten für den Arbeitsmarkt können wir nicht wegdiskutieren und die Zuschüsse für die Krankenversicherung auch nicht."

Doch Neuverschuldung ist nicht gottgegeben, das weiß auch Norbert Barthle. Deswegen redet er auch über die Kosten des so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Hotel-Übernachtungen. Unglücklich seien viele CDU-Haushälter über die "Subvention" gewesen, räumt Barthle offenmütig ein. Doch es sei eben nicht anders machbar gewesen mit den Koalitionspartnern: "Ich schließe mich da den Worten des Finanzministers an: S'isch wie's isch."

Noch Fragen?

Aber spätestens 2011 müsse der Bund doch sparen, wegen der Schuldenbremse, die dann in Kraft trete, oder? "Ja", sagt Barthle. "Ab 2011 müssen wir den Abschmelzungsprozess einhalten." Doch da sei noch ein Problem: "Gleichzeitig wissen wir, dass für 2011 eine weitere Steuerreform vorgesehen ist, mit Abschaffung der kalten Progression und Einführung eines Stufentarifs." Das sei mit Mindereinnahmen in Höhe von 19 Milliarden verbunden, sagt Barthle. "Es wird eine große Herausforderung für den Finanzminister, beides in Einklang zu bringen."

Barthle sagt diese Sätze ganz friedlich, als würden Steuersenkungen geradewegs den Haushalt sanieren. Seit Wochen kritisieren linke wie rechte Ökonomen, der Bundesrechnungshof sowie zahlreiche CDU-Ministerpräsidenten die Pläne der Bundesregierung. Doch die lässt sich davon nicht beeindrucken. Seelenruhig verkündet sie massive Steuersenkungen und den Verzicht auf Ausgabenkürzungen. Gleichzeitig verspricht die Regierung felsenfest, die Schuldenbremse einzuhalten. Dass jetzt auch ein CDU-Haushaltspolitiker so redet, verschlägt vielen Journalisten im Raum schlicht die Sprache. Noch Fragen?

Das Prinzip Hoffnung

Eine Kollegin in der vorletzten Reihe fasst sich. Die Philosophie von Schwarz-Gelb besage ja, dass sich das 30-Milliarden-Loch im Haushalt durch Wirtschaftswachstum schließen lasse. Wie groß denn seine Hoffnung als Haushaltspolitiker sei, dass dies auch funktionieren werde.

"Ich lebe im Prinzip Hoffnung", sagt Bartle lachend. Zwischen 2005 und 2009 habe der Dreiklang aus Wachstum, Haushaltskonsolidierungen und Ausgabenbeschränkungen doch auch funktioniert. Die Neuverschuldung sei in der Zeit von 50 Milliarden auf 6 Milliarden reduziert worden. "Da waren wir ganz erfolgreich", sagt Barthle. "Und sie haben die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöht", sagt die Journalistin.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Dann lächelt Barthle zum ersten Mal nicht mehr.