Ja. Es hat geknallt bei der Demonstration in Rostock. Und ja, es sind auch Pflastersteine geflogen. Und ja, es war wieder eine kleine Minderheit, die Ärger gemacht hat, jener berüchtigte "Schwarze Block", die Autonomen, jene Jungs und Mädels, die gerne ganz in Schwarz auftreten, die Kapuzen ihrer Pullis tief ins Gesicht gezogen. Die Polizei ging am Samstagnachmittag davon aus, dass 2000 von ihnen in der Stadt sind. Sie warfen die Scheibe einer Bank ein, warfen ein Auto um und griffen dann, am Stadthafen, Polizisten an. Mehrere Beamten wurden schwer verletzt. Die Demonstranten seien grundlos auf Polizisten losgegangen, hätten ein Polizeiauto zerstört und mehrere Beamte verletzt, sagte eine Sprecherin. Es spielten sich tumultartige Szenen ab, Rettungsfahrzeuge fuhren heran. Nach Angaben der Sicherheitskräfte wurden bis zum Abend 146 Polizisten verletzt. 18 der Beamten hätten schwere Verletzungen erlitten, sagte ein Polizeisprecher. Zur Zahl verletzter Demonstranten war weder von der Polizei noch von den Organisatoren der Proteste etwas zu erfahren. Die Polizisten schlugen massiv zurück, versuchten die gewaltbereiten von den friedlichen Demonstranten zu trennen. Dabei wurde auch Monty Schädel, der Organisator der Demonstration, in Mitleidenschaft gezogen: Er bekam Tränengas in die Augen. "Das ist hirnverbrannt und dumm", sagte Schädel stern.de. "Warum müssen die mit 20 Polizisten auf die Demonstranten losgehen. Entweder sie machen das massiv und holen alle Störer raus. Oder sie lassen das bleiben. Das ist nichts anderes als eine Provokation."
25.000 statt 100.000 Demonstranten
Jenseits dieser Zwischenfälle ist die Großdemonstration in Rostock ein bunter Protest gegen den G8-Gipfel geworden. Ein zunächst gut gelaunter Protest, trotz des trüben und grauen Wetters. Da machte es wenig, dass am Schluss nicht die angemeldeten und von Schädel angepeilten 100.000 Demonstranten gekommen sind, sondern laut Polizei nur 25.000. Das hat gereicht, um rund eine Stunde durch die Innenstadt der Hansestadt zu ziehen, vorbei an all den Läden, die ängstliche Besitzer tags zuvor passgenau-sorgfältig mit Pressspanplatten oder edlen Holzdielen verbarrikadiert hatten. Die Zahl der Demonstranten reichte auch, um das Gelände am Stadthafen mit bunten Plakaten, unzähligen Fahnen und Bannern, roten Riesenluftballons und jenen weißen Riesenschneemann-Ballons zu füllen. Die Schneemänner gehören "Greenpeace". Wenn man nicht bald etwas gegen den Klimawandel unternehme, sollen sie signalisieren, werde man wie Schneemänner in der Hitze dahinschmelzen.
Autonome weichen auf Nebenstraßen aus
Dabei bemühte sich die Polizei anfangs offensichtlich, jede Provokation zu vermeiden. Statt sich entlang der zwei Demonstrationszüge im Spalier aufzustellen, wie es Anfang der Woche die Hamburger Kollegen gemacht hatten, bevorzugte man es, in Nebenstraßen zu warten. Auch Wasserwerfer wurden nicht sichtbar aufgestellt, um die Demonstranten nicht zu provozieren. Zweifel an der Präsenz der Polizei konnte allerdings kein aufkeimen, nicht zuletzt weil ständig Hubschrauber über den Köpfen der Demonstranten kreisten.
Die überwiegende Mehrheit der Demonstranten selbst war blendend gelaunt. Vor allem linke Gruppen waren mit Zügen und Bussen nach Rostock gekommen, um unter dem Motto "Eine andere Welt ist möglich", gegen die Politik der G8-Staaten zu demonstrieren. Sie protestierten für ein faires Handelssystem, gegen den Kapitalismus, gegen Gentechnik. All das. Dabei verhielten sich die Demonstranten zunächst so gesittet, dass es sogar vor den überall aufgestellten Dixie-Toiletten ordnungsgemäße Schlangen gab. Das Gefährlichste, so schien es noch am Vormittag an den Sammelstellen der Demonstranten, würden wackelnde, weil ungenügend aufgestellte, Toiletten sein. Dieses Bild wandelte sich durch die Randale am Nachmittag. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Stadthafengelände war von den schweren Krawallen kaum etwas zu bemerken. Anschließend sollten mehrere Pop-Bands auf einer Bühne ein Konzert geben, darunter die Gruppe "Wir sind Helden." Die Polizei versuchte, die friedlichen von den gewaltbereiten Demonstranten zu trennen. Diese wichen auf Nebenstraßen der Innenstadt aus. Dort, so warnten die Sicherheitskräfte, würde man mit weiteren Ausschreitungen rechnen.