Im Prozess um Millionenzahlungen von Siemens an die Pseudo-Gewerkschaft AUB hat deren früherer Vorsitzender Wilhelm Schelsky einen Auftrag des Konzerns zum Aufbau der AUB eingeräumt. Schelskys Aufgabe sei es gewesen, ein "demokratisches Gegengewicht" zur IG Metall zu schaffen, erklärte sein Anwalt Jürgen Lubojanski am Dienstag vor dem Nürnberger Landgericht. Schelsky sei seit 1990 als Lobbyist für Siemens tätig gewesen. Damals seien drei Siemens-Direktoren an ihn herangetreten und hätten ihn gebeten, aus dem Konzern auszuscheiden und von außen für das Unternehmen tätig zu werden.
Niemand wurde bedrängt
Es habe aber zu keiner Zeit einen Einfluss auf Betriebsratswahlen oder Entscheidungen einzelner Betriebsräte gegeben. "Es wurde insbesondere niemand bedrängt oder gelockt", erklärte der Anwalt. Die Förderung der AUB sei zwischen Schelsky und Siemens nicht schriftlich festgehalten worden, um die Gewerkschaft nicht den Anfeindungen der IG Metall auszusetzen, erklärte Lubojanski weiter.
Es sei nicht darum gegangen, die Zahlungen an die AUB vor Siemens-Kontrollgremien zu verschleiern. Den Anklagevorwurf der Beihilfe zur Untreue wies Schelsky über seinen Anwalt zurück. "Mein Mandant empfindet den Vorwurf, die Siemens AG betrogen zu haben, als absurd", sagte der Anwalt. Ein Siemens-Direktor habe Schelsky 1990 den Vorschlag zur AUB-Förderung unterbreitet. Über die Verwendung der Mittel habe Schelsky keine Rechenschaft ablegen müssen. Der mit Schelsky angeklagte frühere Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer hatte zu Prozessbeginn Millionenzahlungen des Konzerns an die AUB eingeräumt und diese als von der früheren Führungsriege gewollt bezeichnet. Der Ex-Europachef des Konzerns ist wegen Untreue und daraus folgender Steuerhinterziehung angeklagt. Schelsky beschuldigen die Ermittler der Beihilfe dazu sowie der Steuerhinterziehung im geschäftlichen und privaten Bereich. Der frühere AUB-Chef räumte teilweise ein, privat Steuern hinterzogen zu haben. Auf die steuerliche oder buchhalterische Bearbeitung der AUB-Zahlungen bei Siemens habe er aber nie Einfluss gehabt, erklärte Schelskys Anwalt.
Verschleierung von Geldströmen
Die Verschleierung von Geldströmen und die Vernichtung von Dokumenten im Zusammenhang mit millionenschweren verdeckten Zahlungen des Siemens-Konzern an die Arbeitnehmerorganisation AUB war nach Angaben von Schelsky allein in der Angst vor konkurrierenden Gewerkschaften begründet. "Die Vorsicht kann ja psychopathische Züge haben, sie ist aber aus dem Wettbewerb der IG Metall und der AUB entstanden", sagte Schelsky. Keinesfalls habe man sich damit einer Strafverfolgung oder Überprüfungen innerhalb des Konzerns entziehen wollen.
Dass die Zahlungen über eine Fremdfirma laufen sollten, sei zu dem damaligen Zeitpunkt nichts Außergewöhnliches gewesen. Innerhalb der AUB sei nur einem kleinen Führungszirkel die Herkunft der Gelder, nicht aber die Form der Abwicklung bekannt gewesen, erläuterte Schelsky. Betriebsräte seien durch die Zahlungen zu keinem Zeitpunkt in ihrer Arbeit beeinflusst worden.
30 Millionen Euro von Siemens
Eine im Herbst 2000 geschlossene Rahmenvereinbarung mit dem späteren Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer habe nur eine frühere Vereinbarung fortgeführt. Im Zuge des neuen Vertrags flossen laut Anklage mehr als 30 Millionen Euro an Schelsky, der das Geld für AUB-Kampagnen, Mitarbeiter- und Sportsponsoring verwendete. Die Sportförderung sei eine Idee gewesen, um die AUB bekannter zu machen, erklärte Schelsky. Da er weder Weisungen noch Verbote von Siemens bekommen habe, sei der Vorwurf des Betrugs falsch.
Neben Schelsky muss sich auch Feldmayer vor Gericht verantworten. Der Ex-Manager ist wegen Untreue, Steuerdelikten und illegaler Beeinflussung von Betriebsratswahlen angeklagt. Er hatte in der vergangenen Woche eingeräumt, Millionenzahlungen an Schelsky zum Aufbau der AUB veranlasst zu haben.
DPA / Reuters / AP