SPD-Parteirat "Es besteht Diskussionsbedarf"

Der Umgang mit der Linkspartei sorgt in der SPD für heftige Debatten. Im SPD-Parteirat soll heute ohne den erkrankten Parteichef Kurt Beck versucht werden, den Streit wieder zu befrieden. Der Vorsitzende des SPD-Parteirats, Claus Möller, erwartet eine lebhafte Diskussion. Im Interview mit stern.de unterstützt er den Kurs von Beck.

Herr Möller, die SPD befindet sich in heller Aufregung. Wie sieht der Vorsitzende des wichtigen Parteirats die Situation?

Nach dem Hamburger Parteitag ist die SPD gefestigt, die Wahlkämpfer waren euphorisch wie selten, weil wir inhaltlich gut positioniert sind. Die CDU hat überall deutlich verloren, die SPD hat deutlich an Stimmen gewonnen. Es ist aber nicht zu verkennen, dass über den Zeitpunkt debattiert wird, zu dem sich der Vorsitzende Kurt Beck über den Umgang mit der Linken geäußert hat.

Vor der Wahl in Hamburg, das war falsch?

Ich hätte mir den Zeitpunkt anders vorstellen können. In der Sache allerdings ist es richtig, dass die SPD sich in Zeiten von fünf Parteien überlegt, wie Regierungsbildungen möglich und wie sie nicht möglich sind. Das ist schon deshalb erforderlich, weil man ja sieht, wie schnell die CDU doch plötzlich das Hohelied von Schwarz-Grün singt, in Hamburg etwa. Ich denke, dass der Parteirat mit großer Mehrheit die Position des Parteivorstandes unterstützen wird.

Zur Person

Claus Möller, Vorsitzender des SPD-Parteirates, war zunächst in der Kommunalpolitik in Kiel tätig. Dort stand er mehrere Jahre der SPD-Fraktion vor, bevor er Personal- und später zusätzlich Umweltdezernent wurde. In der SPD-Landesregierung unter Björn Engholm wurde er 1988 Staatssekretär, 1993 übernahm er das Arbeits- und Sozialministerium. Im Kabinett von Heide Simonis war er von 1993 bis 2003 Finanz- und Energieminister. Von 2003 bis 2007 stand Möller an der Spitze der schleswig-holsteinischen SPD, seit Januar 2006 ist er Vorsitzender des SPD-Parteirates.

…also keine Zusammenarbeit mit der Linken 2009 auf Bundesebene und Landesbündnisse werden in den Ländern entschieden.

Genau. Das ist unumstritten. Die Linke ist zur nächsten Bundestagswahl nicht koalitionsfähig. In der Sozial-, der Außen- und der Steuerpolitik ist sie viel zu populistisch. Allerdings ist immer meine Position gewesen, dass über Koalitionen in den Ländern zunächst einmal der Wähler entscheidet und dann die Parteien vor Ort.

Da sind die Worte Kurt Becks in der Öffentlichkeit aber völlig anders angekommen. Vor den Wahlen hieß es: Nie und nimmer eine Zusammenarbeit mit der Linken im Westen. Und nun soll es doch möglich sein. Das nennen viele Wortbruch.

Dieser Streit ist viel Lärm um nichts. Es ist richtig, dass es im Wahlkampf hieß: Keine Koalition mit der Linken. Aber der Grundsatz ist doch selbstverständlich, dass über Kooperation oder Koalitionen in den Ländern nach den Wahlen erst Parteitage entscheiden. Und zwar dann, wenn man weiß, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Wir sind föderal organisiert in der SPD. Es ist richtig, das auf Landesebene zu entscheiden. Im Westen auf Dauer zu sagen, dass eine Kooperation mit der Linken nicht infrage komme, in den neuen Ländern hingegen rot-rote Koalitionen zu akzeptieren, das hält die SPD nicht durch. Was in Hessen passiert, das steht ja übrigens noch gar nicht fest. Frau Ypsilanti bemüht sich noch immer um eine Ampel-Koalition.

SPD-Parteirat

Der SPD-Parteirat besteht aus 110 Mitgliedern, die von den Parteitagen der Bezirke oder der Landesverbände gewählt werden. Außerdem gehören ihm als beratende Mitglieder Vertreter der SPD-Landtagsfraktionen, der Bundestagsfraktion, die sozialdemokratischen Minister der Bundesregierung und der Landesregierungen sowie Abgeordnete des Europaparlamentes an. Der Parteirat berät den Vorstand der SPD. Bei grundlegenden außen- und innenpolitischen Fragen muss er angehört werden und gilt daher auch als "kleiner Parteitag" oder "Parlament" der SPD. Formal ist der Parteirat das höchste Beschlussgremium zwischen den Parteitagen. Vor dem im Januar 2006 gewählten Vorsitzenden Claus Möller hatte der sachsen-anhaltinische Politiker Rüdiger Fikentscher den Posten elf Jahre inne.

Ganz so entspannt sehen das aber nicht alle. Der Bundesfinanzminister und stellvertretende SPD-Vorsitzende Peer Steinbrück warnt eindringlich vor jeglicher Zusammenarbeit mit der Linken.

Herr Steinbrück will jetzt entscheiden lassen, ab sofort und niemals mehr in der Zukunft mit der Linken zusammenzuarbeiten. Damit ist er in der SPD nicht mehrheitsfähig, wenn es um die Länder geht. Es ist überhaupt keine Frage, dass die Linkspartei auf Bundesebene nicht kooperationsfähig ist. Es geht nur um die Option in den Ländern. Wenn der Wähler entscheidet, dass immer wieder fünf Parteien in den Parlamenten sitzen und sich alle wie in Hessen blockieren, dann führt das zu nichts. Mit Ausnahme der Nazis sind die demokratischen Parteien verpflichtet, miteinander zumindest zu reden.

Aber Herr Möller, die Debatte ist doch schon viel weiter. Angeblich versuchen einige, eine Kanzlerkandidatur von Kurt Beck auf jeden Fall zu verhindern.

In einer großen Volkspartei wird viel diskutiert. Das steht aber frühestens Ende dieses Jahres zur Entscheidung an, das ist auch in der Partei unumstritten. Es ist guter Brauch, dass der Parteivorsitzende einen Vorschlag macht. Wie der aussieht, das werden wir dann sehen.

Die Debatte um die Eignung Becks wird doch jetzt geführt.

Das ist aber nicht das Thema in der Partei. Dass es in unserer Partei unterschiedliche Meinungen gibt, mit wem man am erfolgreichsten die Bundestagswahl bestreiten kann, diese Diskussion gibt es. Aber nach dem deutlichen Vertrauensbeweis des Hamburger Parteitags für Kurt Beck ist es unumstritten, dass er als Parteivorsitzender einen Vorschlag macht.

Aber Kurt Beck erscheint nach diesem Wochenende doch politisch angeschlagen.

Er ist gesundheitlich angeschlagen, politisch nicht. Ich würde diese Diskussion nicht überbewerten.

Der Parteirat ist das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Werden Sie ein Machtwort sprechen, um die SPD wieder in ruhiges Fahrwasser zu manövrieren?

Der Parteirat ist nicht das Gremium für Machtworte. Aber es besteht ganz klar Diskussionsbedarf, und dafür ist der Parteirat das richtige Gremium. Ich gehe davon aus, dass er den Kurs des Parteivorstandes deutlich stützen wird.

Und die Debatten des Wochenendes wird er missbilligen?

Es wird sicher eine lebhafte Diskussion geben. Ich werde mich bemühen, dass die Diskussion inhaltlich geführt wird und wir nicht über Sinn oder Unsinn eines jeden Interviews sprechen. Ich gehe davon aus, dass nach der Sitzung des Parteirates die öffentliche Diskussion wieder etwas ruhiger wird.

Interview: Marcus Müller

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