Bundeskanzler Gerhard Schröder hat der Opposition vorgeworfen, Deutschland spalten zu wollen. "Die Politik von CDU und FDP zerstört den inneren Frieden in unserem Land", sagte er am Mittwoch auf dem SPD-Sonderparteitag in Berlin. Die von den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) angestrebte Gesellschaft sei kalt, unsolidarisch und damit auch unmenschlich.
Der Kanzler warf Union und FDP vor, im Wahlkampf ein "Versteckspiel" zu betreiben. Was die Opposition biete, sei eine "Inszenierung ohne jede Substanz". Merkel und Westerwelle wollten "in der Tat eine andere Gesellschaft". Sie wollten sich von der sozialen Marktwirtschaft verabschieden und eine "Ellenbogengesellschaft" schaffen. Wer wie CDU und FDP Arbeitnehmerrechte beschneiden und die Mitbestimmung einschränken wolle, "der legt die Axt an die Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft".
Erneut sprach Schröder der Unions-Kanzlerkandidatin Merkel und deren Kandidaten als Bundesfinanzminister, Paul Kirchhof, die Eignung für ihre angestrebten Ämter ab. "Kann man einem solchen Menschen das Finanzministerium anvertrauen?", fragte Schröder auf dem SPD-Parteitag am Mittwoch und meinte Kirchhof und dessen Steuervorschläge.
Und wenn Merkel diese Vorschläge ausprobieren wolle, müsse man auch fragen, ob man einer solchen Frau das Kanzleramt anvertrauen könne. Die Antworten könnten nur Nein lauten. Kirchhofs Steuerreformkonzept führe dazu, dass in der Staatskasse auf allen Ebenen insgesamt 42 Milliarden Euro fehlen würden. Das würde aber weniger Geld für innere Sicherheit, für Familien, für Forschung und Entwicklung und vieles mehr bedeuten. "Merkel-Politik, das wäre für eine große Mehrheit in unserem Land Minus-Politik", rief Schröder. Merkels Politik wäre eine Politik gegen die Interessen der Mehrheit Deutschlands.
"Rückkehr ins 19. Jahrhundert"
Schröder kritisierte auch das Familienbild Kirchhofs. Dessen Vorstellung, dass die Frau sich in der Familie zu verwirklichen habe und der Mann die ökonomische Grundlage der Familie erwirtschafte, sei rückwärts gewandet. "Das ist die Rückkehr ins 19. Jahrundert". Schröder warf Kirchhof auch vor, bei seinen Überlegungen zur Rentenversicherung mit Menschen wie mit Sachen umzugehen. Kirchhof hatte in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview einen Systemwechsel in der Rentenversicherung gefordert. Ziel müsse langfristig die Umstellung des Rentensystems von der Umlagefinanzierung auf die Kapitaldeckung sein. Wer Sicherheit im Alter haben wolle, müsse selbst vorgesorgt haben.
Trotz des deutlichen Vorsprungs der Union in den Umfragen gab sich Schröder sicher, dass die SPD die Wahl am 18. September gewinnen werde. "Auch diese Wahl wird erst in den letzten Tagen entschieden." Schröders Rede wurde von den rund 500 Delegierten mehrfach von starkem Applaus unterbrochen.