Der jahrelang vom Erfolg verwöhnte Klaus Wowereit wirkt seit einiger Zeit wie vom Glück verlassen. Nach der Abgeordnetenhauswahl vom vergangenen Jahr bekam Berlins Regierender Bürgermeister in seiner SPD Ärger, nachdem das geplante rot-grüne Bündnis geplatzt war und es zur großen Koalition kam. Dann musste er viel Häme ertragen wegen der verschobenen Eröffnung des Großflughafens Berlin-Brandenburg. Jetzt droht ihm die eigene Partei auseinanderzufliegen: Auf dem Parteitag am Samstag könnte der Landesvorsitzende Michael Müller - ein Vertrauter Wowereits - gestürzt werden.
Es ist der 38-jährige Jan Stöß, Verwaltungsrichter in Berlin, der die seit 1989 zumindest mitregierende Berliner SPD aufgemischt hat. Nachdem sich mehr und mehr Unzufriedenheit über den nicht gerade charismatischen Müller breit gemacht hatte, entschloss sich der Nachwuchspolitiker vom linken Parteiflügel zur Kampfkandidatur. "Ich möchte anbieten, dass wir uns stärker unabhängig vom Senat aufstellen", bekundet er in einem RBB-Interview.
Stöß ist in der Partei beliebt
Und Stöß hat Erfolg in der Partei: Nach Vorstellungsrunden an der Basis haben sich sieben der zwölf Berliner Kreisverbände hinter den Herausforderer gestellt, Amtsinhaber Müller wird nur von fünf Kreisen unterstützt. Entschieden ist das Rennen damit aber noch lange nicht: Denn unter den Kreisverbänden, die hinter dem amtierenden Landeschef stehen, sind besonders mitgliederstarke wie Charlottenburg-Wilmersdorf. Ohnehin ist kein Delegierter an das Votum seines Kreisverbandes gebunden, und Müller kämpft bis zuletzt: "Es geht um die Machtfrage und um eine Richtungsentscheidung", sagt der amtierende Landeschef.
Klar ist nur, dass keiner der beiden Kandidaten ohne Blessuren aus der Kampfabstimmung hervorgehen wird, was vor allem für Amtsinhaber Müller ein Problem ist - und damit auch für Wowereit. Denn der 48-jährige Stadtentwicklungssenator ist seit Jahren treuer Weggefährte des Regierenden, und hat ihm - möglicherweise allzu geräuschlos - den Rücken frei gehalten. So wurde er schließlich zum Kronprinzen des Bürgermeisters. Diese Rolle galt lange Zeit als aussichtsreich: Denn Wowereit wurde immer wieder Amtsmüdigkeit nachgesagt, zwischenzeitlich war auch von bundespolitischen Ambitionen die Rede
Wowereits Pannen
Nach Lage der Dinge kann sich der 58-jährige Wowereit aber wohl nicht so schnell zurückziehen. Denn nicht nur der beschädigte Kronprinz und die zerstrittene SPD bereiten dem Regierenden Bürgernmeister Kopfzerbrechen, sondern auch die Pannen der Regierungspolitik. Als die bislang größte Blamage in Wowereits elfjähriger Regierungszeit gilt die geplatzte Eröffnung des neuen Hauptstadt-Airports, die er als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen-Gesellschaft mitzuverantworten hat.
Die Verschiebung ist nicht nur ein Imageschaden für die Hauptstadt, sondern wird wohl auch noch den klammen Landeshaushalt belasten. Hinzu kommen Streitereien um die Wasserpreise oder die explodierenden Mieten in der Hauptstadt. Da ist es ein schwacher Trost für das Stadtoberhaupt, dass beim christdemokratischen Koalitionspartner auch nicht alles rund läuft. CDU-Innensenator Frank Henkel muss derzeit Vorwürfe überprüfen lassen, die Rockerbande "Hells Angels" sei vor einer Razzia gewarnt worden - offenbar durch ein Leck bei der Polizei.
Wowereit und seine SPD müssen nun erstmal den Parteitag überstehen, und der ist noch mit allerlei Fragezeichen verbunden. Die Mehrheitsverhältnisse sind knapp, und möglicherweise wird die Wahl des neuen Vorsitzenden gleich ganz verschoben. Einen entsprechenden Antrag gibt es, Hintergrund sind Forderungen nach einer Mitgliederbefragung über den Landesvorsitz. Dass eine Verschiebung der Wahl die Partei befrieden könnte, daran glaubt aber niemand in der Berliner SPD.