Sponsoring von Parteien Hört endlich auf mit der Mauschelei!

Man kann Gespräche mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers kaufen? Das ist nicht verwunderlich. Seit Jahrzehnten wird gemauschelt, was das Zeug hält. Die Parteienfinanzierung muss radikal reformiert werden - und wird es vermutlich nicht.
Ein Gastbeitrag von Dieter Spöri

Es ist das bekannte Muster der Abläufe: Die SPD attackiert den parteipolitischen Gegner CDU in der ersten Runde bei einem atemberaubend debilen Verstoß gegen das Grundempfinden einer sauberen Parteienfinanzierung und empört sich einen halben Tag erfolgreich mit großer Medienresonanz. Die ertappte Regierungspartei CDU schlägt mit der Verbreiterung des Skandals zurück, indem sie ähnliche Praktiken der SPD in der Grauzone des Sponsorings von Parteientagen ausgräbt. Der mediale parteipolitische Vorteil wird in der Internet-Gesellschaft schon nach wenigen Stunden eingeebnet. Der Skandalgeruch wirkt aber beim Bürger dauerhaft nach.

Natürlich zahlen Firmen, Organisationen oder Verbände überall an die Parteien Mieten für ihre Stände auf Parteitagen oder anderen Events. Überall laufen auch ein paar Politpromis inklusive einer Plauscherei und Fotos mit den stolzen Standrepräsentanten durch die Ausstellung. Allerdings haben die nordrhein-westfälische CDU und die sächsische CDU die gängige Praxis in dieser Grauzone der Parteienfinanzierung mit einer rechtlich besonders dümmlichen Vertragsvariante gestaltet: Wer einen Regierungspolitiker, das heißt Amtsträger, gegen Aufpreis als Gesprächspartner an einem Firmenstand anbietet, bewegt sich schon sehr in der Nähe des versuchten Straftatbestands einer Vorteilsgewährung.

Der Flick-Skandal

Wenn ich die Weiterungen dieser lächerlichen Affäre und die Scharmützel zwischen den Parteien dazu betrachte, kann ich nur deprimiert feststellen, dass die Parteien seit meiner Zeit als SPD-Obmann im Flick-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags, des größten Parteispendenskandals der Bonner Republik, nichts dazu gelernt haben oder dazu lernen wollen.

Bei der Untersuchung dieses Parteispendenskandals hatte man nach zahlreichen Rücktritten führender Politiker und Wirtschaftsvertreter sowie Anklagen und Verurteilungen ja noch die berechtigte Hoffnung, dass sich daraus eine nachhaltige Schockwirkung für das demokratische Leben entfaltet und die politischen Akteure zumindest versuchen, ein verdachtfreies System der Parteienfinanzierung im Umgang von Politik und Wirtschaft zu etablieren.

Dieter Spöri, 66

... Minister a.D., Präsident der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) ist mit Sicherheit einer der besten Kenner der Probleme zwischen Politik und Wirtschaft im Bereich der Parteienfinanzierung. Denn der ehemalige Wirtschaftswissenschaftler ist einer der wenigen erfolgreichen Pendler zwischen Politik und Wirtschaft. Er war Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Flick-Spendenskandal, der größten Parteispendenaffäre der Bonner Republik. Spöri saß von 1976 bis 1988 im Bundestag, war finanzpolitischer Sprecher der SPD, danach stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Es folgte ein bemerkenswerter Wechsel: Er übernahm die Leitung der Berliner Repräsentanz des Daimler-Chrysler-Konzerns, saß bis 2007 auch im Aufsichtsrat des Software-Konzerns SAP. Zurzeit ist er Generalbevollmächtigter der Personalberaterfirma PMCI AG.

Sturz der Regierung Schmidt

Das Gegenteil war der Fall. Die erste überparteiliche Reaktion war ein schon 1981 eingefädelter rückwirkender Versuch, eine verfassungswidrige Amnestie für Spendenvergehen durchzusetzen. Ein Versuch, den ich damals in Zusammenarbeit mit einigen anderen beherzten Mitstreitern in der SPD-Fraktion wie zum Beispiel Jürgen Schmude, Peter Struck oder Norbert Gansel in der letzten sozialdemokratischen Fraktionssitzung des Jahres 1981 zu Fall gebracht habe.

Am Vorabend dieser Entscheidung rief mich der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Linde als Vertrauensmann von Herbert Wehner in meinem Büro im Abgeordnetenhochhaus Langer Eugen an und informierte mich eindringlich, dass ein Scheitern dieses Amnestieversuches in der SPD das Ende der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt bedeute. Wenn ihr die Amnestie kaputt macht, ist die Koalition am Ende, sagte er. Die sind dann alle weg!

Diese Warnung waren keine leeren Worte. Denn ab Anfang 1982 wurde der Ausstieg der FDP planmäßig durch einen gezielten Dauerkonflikt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik mit der SPD von den Liberalen unter Führung von Graf Lambsdorff mit seinem Scheidungspapier vorbereitet. Allerdings war auch der zweite Amnestieanlauf nach dem Sturz der Regierung Schmidt mit einem neuen Koalitionspartner, der Union, erfolglos. Immerhin schrieb so der Parteispendenskandal in bisher so noch nicht bekannter Weise politische Geschichte.

Die Spendenpraxis

Die offiziellen Trennungsgründe der damaligen sozialliberalen Koalition waren nur vorgeschoben. Es ging vorrangig nicht um Wirtschafts- und Finanzpolitik oder den sicherheitspolitischen Konflikt Helmut Schmidts mit seiner SPD. Dahinter steckten in Wahrheit vor allem die nackte Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und die Wut, dass der Koalitionspartner nicht helfen wollte.

Seitdem haben sich trotz vieler Änderungen der entsprechenden Vorschriften der Parteienfinanzierung die Grundübel dieses Systems nicht verändert.

Nach wie vor können Firmen und Verbände unbegrenzt spenden. Dadurch wird trotz der Veröffentlichung von Rechenschaftsberichten der Parteien und Veröffentlichungspflicht für Großspenden ab 50.000 Euro das Verhältnis von Politik und Wirtschaft immer wieder aufs Neue belastet und verdächtigt. Es entsteht dadurch immer wieder der Eindruck, sei er berechtigt oder auch unberechtigt, des dubiosen Zusammenhangs von Spenden und politischen Entscheidungen sowie das unbestreitbare Problem des besonderen politischen Gewichts der Großspender. Ein Eindruck, der mit einem fairen Demokratieverständnis von gleichem Gewicht jeder Stimme völlig unvereinbar ist. Ein Eindruck, der den seriösen Vertretern der Wirtschaft nicht angenehm sein kann.

Schädigung der Demokratie

Nach wie vor entlasten sich Parteien finanziell bei Parteitagen, Kongressen oder anderen Events mit Angebotspaketen für Stände von Firmen, Organisationen und Verbänden. Diese Grauzone hebelt dann noch die steuerlich vorgeschriebene Nichtabzugsfähigkeit von Firmenspenden aus. Dabei kann kein Mensch die Angemessenheit von Standmieten überzeugend und verlässlich bewerten. Auch hieraus resultiert eine Verletzung des demokratischen Prinzips vom gleichen Zugang jeder Bürgerin und jedes Bürgers zur Politik.

Dazu kommt das so genannte Public Private Partnership bei Staats- und Regierungsevents, zum Beispiel bei Bundesministerien oder Länderregierungen durch privates Sponsoring ihrer Feste in Berlin oder in den Hauptstädten der Länder.

Hier überall wabern Grauzonen des berechtigten oder nicht berechtigten Verdachts besonderer Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft, die von vornherein vermieden werden müssten. Aus diesen Grauzonen blubbern jährlich rhythmisch verlässlich Affären und Skandale, je nach dem Grad der Tapsigkeit der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung der Finanzierung. Öffentliche Kritik- und Empörtheitswogen schwappen dann bundesweit durch die Medien. Allerdings folgenlos für das politische System, die involvierten Firmen oder angeprangerte Spender. Das einzig garantierte Ergebnis: Eine Dauerschädigung unserer Demokratie und der Parteien unter dem Motto "Die gekaufte Republik."

Daraus kann man nur eine klare Konsequenz ziehen, die den Parteien eigentlich längst bewusst ist:

  • Parteispenden dürfen nur noch als private Bürgerspende erlaubt werden, d.h Verbot jeglicher Firmen- und Verbandsspenden (wie in Frankreich).
  • Zur Vermeidung von Umgehungspraktiken muss es eine Höchstgrenze von Bürgerspenden geben (zum Beispiel 5.000 oder maximal 10.000 Euro), also nicht nur eine Obergrenze steuerlicher Abzugsfähigkeit.
  • Umfassende Abschaffung des Dschungels der Sponsoring-Praktiken auf Partei- oder Ministeriumsveranstaltungen. Also ein grundsätzliches Verbot der so genannten Private Partnership in diesem Eventbereich.
  • Einfrieren des Förderbudgets für Parteiarbeit auf dem aktuellen stand, da die Qualität unseres demokratischen Lebens schon vor Jahrzehnten mit Bruchteilen der heutigen Budgets besser bestimmt wurde.

Geld und Wahlkämpfe

Doch diese einfachen und logischen, auf der Hand liegenden Konsequenzen, sind trotz aller jahrzehntelangen Rufschädigung der Politik niemals gezogen worden. Eine Allparteienallianz wird auch jetzt wieder dagegen wüten und giften.

Aber ständig steigende Kosten haben die inhaltliche Qualität demokratischer Konkurrenz verlässlich verschlechtert, insbesondere bei Wahlkämpfen. Je unterschiedloser die Konturen und Positionen, desto höher die Budgets. Der absolute Tiefpunkt der Konturen- und Kontrastlosigkeit waren die letzten Kampfkampagnen bei Europa- und Bundestagswahl im Jahr 2009.

Die Öffentlichkeit, insbesondere die Medien, sollten diese augenzwinkernde Kumpanei bei der Parteienfinanzierung nicht länger durchgehen lassen. Sie führt zur schleichenden Abwendung des Bürgers vom demokratischen Prozess. Das wird durch die dramatisch sinkenden Wahlbeteiligungsquoten nachdrücklich manifestiert.

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