Bundesminister Peter Struck (SPD) hat seine Entscheidung verteidigt, jeden fünften Bundeswehrstandort in Deutschland zu schließen. Die Auflösung der insgesamt 105 von rund 500 Garnisonen sei ausgewogen, sagte Struck am Dienstag im Bundestag. Bürgermeister reagierten mit Bestürzung und Verärgerung über den Abzug der Bundeswehr aus ihren Städten. Einige von ihnen kündigten "Schadenersatzforderungen" an. Struck habe "volles Verständnis" für die Proteste in den Kommunen. Die Union sprach dagegen von "Plattmacherei" und forderte Finanzhilfen des Bundes für die betroffenen Regionen.
Fällt die Wehrpflicht, stehen weitere Standorte vor dem Aus
Der CSU-Verteidigungsexperte Christian Schmidt sagte, mit der Reduzierung besonders des Heeresumfangs könne die Bundeswehr ihrem Auftrag nicht mehr gerecht werden. "Beim Heimatschutz findet eine Plattmacherei ohne gleichen statt." Die Union sieht mit der Verringerung der Zahl der Wehrpflichtigen auf rund 30.000 zudem keine Wehrgerechtigkeit mehr gegeben. Die rot-grüne Koalition wird Struck zufolge 2006 über den Zwangsdienst für Männer entscheiden. Fällt die Wehrpflicht, stehen weitere Standorte vor dem Aus.
In seinem am Dienstag in Parlamentskreisen verbreiteten Konzept erklärt Struck: "Die Umsetzung der Stationierungsentscheidungen wird umgehend beginnen und bis spätestens 2010 abgeschlossen sein. Die Folgen der Veränderungen werden durch geeignete Personalmaßnahmen und soziale Vereinbarungen geregelt und aufgefangen." Am Nachmittag wollte Struck das Konzept selbst veröffentlichen.
Heer am stärksten belastet
Geschlossen werden danach neun große Standorte mit mehr als 1000 Soldaten. Davon betroffen sind Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein. Geschlossen werden ferner 28 Kasernen mit mehr als 500 Soldaten, neun Standorte bis zu 500 Dienstposten, 31 mit bis zu 100 Stellen und 28, die weniger als zehn Mann haben. An 45 Standorten werden die Einheiten durch Verlegungen anderer Kasernen verstärkt.
Das Heer ist am stärksten belastet. Marine und Luftwaffe bleiben weitgehend verschont. Beim Heer wird die Zahl der Divisionskommandos von sieben auf fünf verringert, von 22 Brigaden werden zwölf und von 123 Bataillonen werden 45 aufgelöst. Die Luftwaffe reduziert die Zahl ihrer Divisionskommandos von vier auf drei, die Marine fasst ihre fünf Typflotillen in zwei Einsatzflottillen zusammen. Von den acht Bundeswehrkrankenhäusern werden vier zugemacht. 20 der 60 Kreiswehrersatzämter werden geschlossen. Grund für die erneuten Standortschließungen ist die Verkleinerung der Bundeswehr von 285.000 auf 250.000 Soldaten und von 120.000 auf 75.000 Zivilbediensteten.
Die Union fordert finanzielle Hilfen für betroffene Kommunen. Der Verteidigungsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Schmidt (CSU), sagte: "Wer so viele Standorte schließt, kommt nicht um ein nationales Konversionsprogramm herum." Das lehnt die SPD ab.
In Mellrichstadt (Bayern) sagte Vize-Bürgermeisterin Christel Heid, es drohe der Verlust von hunderten Arbeitsplätzen, Kaufkraft und Steuereinnahmen. In Kellinghusen (Schleswig-Holstein) sagte Bürgermeisterin Helga Nießen: "Wir werden Schadenersatz fordern." Die geplante Schließung des Marinestützpunktes Olpenitz mit mehr als 2100 Dienststellen nannte der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Börnsen einen "Akt der Willkür". Struck will die betroffenen Bürgermeister für Anfang Januar will er nach Berlin einladen.
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold lehnte die Unionsforderung nach Finanzhilfen des Bundes ab. "Die Bundeskassen sind leer, insofern hat es keinen Sinn Versprechungen zu machen", sagte er im Deutschlandfunk. Es sei nicht Aufgabe des Bundes, den Kommunen Geld zu geben. Gefordert seien die Länder.