Steuerausfälle Besserverdiener sollen Löcher stopfen

Finanzminister Peer Steinbrück will höhere Einkommen zusätzlich belasten. So will er milliardenschwere Steuerausfälle ausgleichen, die er aufgrund der künftig stärkeren Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen erwartet. Umfangreiche Steuerentlastungen für die Bürger lehnt er ebenso ab wie die Kanzlerin.

In der Koalition bahnt sich ein neuer Konflikt um die bessere steuerliche Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen an. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) prüft zusätzliche Belastungen von Besserverdienern, um einen Teil der Milliardenausfälle für die Staatskasse auszugleichen. Von der ab 2010 geforderten verbesserten Absetzbarkeit beim Fiskus sollen nach dem Willen von Steinbrück und der SPD zudem nicht nur Top-Verdiener profitieren, sondern auch "Normalverdiener". Die Details sind völlig offen. Die CDU-Spitze wies die Überlegungen, Bezieher höherer Einkommen an anderer Stelle stärker zur Kasse zu bitten, aber bereits zurück.

Mix von Be- und Entlastungen

Es werde am Ende eine spürbare Nettoentlastung für alle geben, stellte der Sprecher des Finanzministeriums, Torsten Albig, klar. Dazu werde es einen ausgewogenen Mix von Be- und Entlastungen geben. Entsprechende Modelle würden in den nächsten Monaten geprüft. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sprach von einer "Denkrichtung2 Steinbrücks. Es handele sich noch nicht um das Modell, das zur Umsetzung des Urteils entwickelt werden müsse.

Das Bundesverfassungsgericht fordert, die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung spätestens von 2010 an zu verbessern. Der bisher geltende Freibetrag von 2400 Euro jährlich für Selbstständige wurde für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil betraf einen Privatversicherten. Privat versichert sind auch alle Beamten wie Polizisten, Lehrer, Eisenbahner oder Postboten. Das Gericht hatte aber klargestellt, dass die Abzugsmöglichkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung generell überprüft werden muss. Schon damals war auch spekuliert worden, dass auch der Freibetrag für Arbeitnehmer von 1500 Euro angehoben werden muss.

Bis zu 14 Milliarden Euro Risiko

Im Finanzministerium hieß es mehrfach, dass voraussichtlich alle Steuerzahler künftig einen größeren Teil ihrer Beiträge absetzen können. Es wurde dafür plädiert, das Urteil sowohl auf private als auch gesetzlich Versicherte anzuwenden. Laut Ministerium belaufen sich die Einnahmeverluste auf zwei bis sechs Milliarden Euro für den Bund. In ersten Schätzungen nach dem Karlsruher Urteil war von möglichen Einnahmerisiken zwischen neun und 14 Milliarden Euro die Rede.

Steinbrück sagte der "Bild"-Zeitung: "Es darf nicht nur bei den Besserverdienern zu Entlastungen kommen, sondern es müssen auch die unteren Einkommensgruppen etwas davon haben. Für den Bund bedeutet das allerdings bis zu sechs Milliarden Euro Steuerausfälle. Das werden wir zum Teil durch neue Einnahmen bei den oberen Einkommen wieder hereinholen."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Entlastung" als Botschaft

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte: "Für uns ist ganz klar, dass das nicht auf den Bereich der privaten Krankenversicherungen beschränkt bleiben darf." Nach Angaben von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wird die Koalition nach der Sommerpause über die Folgen des Urteils sprechen: "Die Botschaft heißt: Entlastung." Dies sei die Basis, auf der die Union verhandeln werde.

Nach offiziell nicht bestätigten Informationen wurde im Ministerium unter anderem ein Wegfall von Steuervergünstigungen geprüft, die vor allem Besserverdienern nutzen. Um die Entlastungen für breite Bevölkerungsschichten akzeptabel zu machen, könnte zudem der Eingangssteuersatz von 15 Prozent gesenkt werden.

Es werde darauf geachtet, dass es nicht nur zur Entlastung der Einkommen im oberen Bereich komme, sondern auch bei Normalverdienern, sagte Albig. Dazu zählen laut Finanzministerium Jahreseinkommen zwischen 30.000 und 60.000 Euro. Bei einer reinen Umsetzung des Urteils würden nur die profitieren, denen es "eh schon etwas besser geht". Wenn nicht sorgfältig gegensteuert werde, käme die Entlastung im Kern bei Privatversicherten mit vielen Kindern an. Albig widersprach Befürchtungen, Besserverdiener würden zu stark belastet.

Steinbrück und Merkel erteilen Steuerentlastungen Absage

Umfangreiche Steuerentlastungen für die Bürger lehnt der Finanzminister trotz wachsender Nervosität in Union und SPD ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. Steinbrück, der sich grundsätzlich für eine Fortsetzung der Großen Koalition nach der nächsten Bundestagswahl aussprach, sagte der "Bild"-Zeitung mit Blick auf die Energiepreise: "Die Nachfrage wird weiter steigen, die Preise werden weiter steigen - und im Trend nie mehr sinken. Über zwei Milliarden neue Kunden entdecken den Markt, und das erhöht den Preis." Eine Senkung der Energiesteuern lehnt Steinbrück ab: "Für den Beifall von zwei Wochen Steuern zu senken, um dann wieder vor denselben Problemen zu stehen, ist keine Lösung." Sich gegen "das populistische Wunschkonzert" zu behaupten, sei "das Markenzeichen" der schwarz-roten Regierung.

Allerdings werde geprüft, wie der Staat "außerhalb der Steuerpolitik auf den Preisanstieg reagieren" könne, sagte Steinbrück. SPD wie CDU/CSU dächten über gezielte Instrumente nach, "theoretisch könnten das zum Beispiel Heizkostenzuschüsse sein". Er widersprach dem Eindruck, der Staat verdiene an den steigenden Energiepreisen mit. "Das Gegenteil ist der Fall. Unsere Einnahmen aus den Energiesteuern sinken, weil die Verbraucher auf die rasant steigenden Preise reagieren und Energie sparen."

"Es gibt Entlastungen durch die weitere Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2009. Auch sollen der Kinderfreibetrag und das Kindergeld nächstes Jahr erhöht werden. Darüber hinaus sehe ich allerdings heute keine weiteren Möglichkeiten", sagte Merkel der "Bild am Sonntag".

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