Streit um den Fiskalpakt Gauck verdient mehr Respekt

  • von Hans Peter Schütz
Koalition und Opposition haben endlos über den Fiskalpakt verhandelt. Nun vom Bundespräsidenten zu fordern, er möge gefälligst Zeit aufholen, die vertrödelt wurde, ist absurd.

Es ist schlichtweg eine absurde Veranstaltung, wenn die Parteien jetzt darüber streiten, wer schuld daran sein könnte, dass die Gesetze zum ständigen Eurorettungsschirm ESM und die Schuldenbremse für Europa erst später in Kraft treten können als von der Bundesregierung geplant. Dass der ursprüngliche parlamentarische Zeitplan kaum einzuhalten ist, liegt schließlich daran, dass zunächst die Koalition sehr lange brauchte, um ihre Positionen - etwa zum Fiskalpakt – auf einen Nenner zu bringen. Und dass am Ende SPD und Grüne darauf bestanden, ihrerseits alle Fragen und Forderungen gründlich zu diskutieren, kann ihnen jetzt nicht von den Regierungsparteien vorgeworfen werden. Sie handelten ganz im Sinne solider parlamentarischer Arbeit. Es kann nicht sein, dass zunächst massiv Zeit vertrödelt wird, die dann von der Opposition durch nachlässig-eilige Beratung wieder aufgeholt werden soll.

Gauck soll Zeit bekommen

Noch peinlicher als der Streit zwischen Koalition und Opposition wirkt in diesem Zusammenhang, dass offenkundig – auch noch überaus plump - versucht wurde, Zeitdruck auf die Verfassungsorgane auszuüben. Der Bundespräsident möge doch bitte ruckzuck die Gesetze nach ihrer Verabschiedung unterschreiben, wird gefordert. Und mürrisch wird auf die Bitte des Bundesverfassungsgerichts reagiert, man möge ihm doch hinreichend Zeit bewilligen, die Gesetze auf ihre Vereinbarung mit dem Grundgesetz zu prüfen.

Es fehlt hier schlichtweg an dem gebotenen Respekt vor Verfassungsorganen. Dahinter steckt letztlich die Überzeugung, der Bundespräsident habe nach der Pfeife der Parteipolitiker zu tanzen. Es geht bei der Ausgestaltung des Fiskalpakts letztlich um eine komplizierte Neuordnung des deutschen Finanzwesens, bei der sorgfältige Prüfung aller staatsrechtlicher Konsequenzen geboten ist. Zum Glück ist Bundespräsident Gauck kein Mann, der sich von hektischen Zwischenrufen und Pöbeleien tagespolitischer Grabenkämpfer beeindrucken lässt. Das wäre vielleicht bei seinen Amtsvorgängern in gewissem Sinne möglich gewesen, aber nicht bei Joachim Gauck.

Das Verfassungsgericht muss Eingriffe prüfen

Man muss ihm die Möglichkeit eigener, unabhängiger Prüfung tiefgreifender verfassungsrechtlicher Eingriffe zubilligen. Mehr noch: Man muss dies von ihm geradezu fordern. Gauck und das Bundesverfassungsgericht tragen letztlich die entscheidende politische Verantwortung dafür, dass derart massive Eingriffe in unser Staatsrecht, wie ESM und Fiskalpakt es sind, mit aller Sorgfalt geprüft werden. Es ist eine Zumutung, wenn von Gauck gefordert wird, er möge gefälligst die Zeit aufholen, die vertrödelt wurde, um den ESM endlich ratifizierungsfähig zu machen. Hätte die schwarz-gelbe Koalition nicht unendlich lange gebraucht, die von der FDP abgelehnte Finanzmarkttransaktionssteuer in das Gesamtpaket zuverlässig hinein zu operieren, wäre Zeitdruck nie entstanden.

Es trifft ja zu, dass es bei den Gesetzesvorhaben um die Zukunft Europas geht, aber die kann nicht damit gesichert werden, dass man sich auf eventuell verfassungsfeindliche Aktionen einlässt. Es ist letztlich blamabel, dass es der Androhung einer verfassungsrechtlichen Klage durch die Linkspartei bedurfte, um die Beteiligten auf den Weg einer verfassungsrechtlich sauberen Prüfung zu bringen.