Strenges Rauchverbot Muss Deutschland den Bayern folgen?

Die Bayern haben sich per Volksentscheid für ein strenges Rauchverbot ausgesprochen. Sollte sich die ganze Republik ein Beispiel an dem Freistaat nehmen? Die stern.de-Redaktion ist sich nicht einig.

Die Raucherlobby kann vielleicht die Politik beeindrucken - doch bei der Bevölkerung verfangen ihre verquasten Argumente nicht. Das ist eine wohltuende Erkenntnis des bayerischen Volksentscheids. Eine Mehrheit von 61 Prozent der Wähler stimmte für das bundesweit strengste Rauchverbot. Sämtlichen Ausnahmeregelungen, die ohnehin niemand kapiert hat, erteilten sie eine klare Absage. Die Vernunft hat gesiegt, die anderen Bundesländer sollten schnell folgen.

Die Bayern haben damit endlich den ewigen Eiertanz der Politik beendet. Eine deutliche Klatsche war das, auch für die CSU: Wie keine zweite Partei in Deutschland hatten sich die Christsozialen unter Horst Seehofer schwer getan, klare Kante zu zeigen - aus einem einzigen Grund: aus Angst vor der wortgewaltigen Raucherlobby. Allen Ernstes hatte die CSU das für sie desaströse Landtagswahlergebnis unter anderem auf das Rauchverbot zurückgeführt - und es prompt wieder gelockert.

Das war ein erstaunlicher Erfolg für die Raucherlobby. Denn niemand bestreitet ernsthaft, dass der Qualm für unfreiwillige Passivraucher gesundheitsschädlich ist. Stattdessen waren die Raucher mit reichlich bizarren Argumenten ins Feld gezogen. Sie verklärten sich zu Vorkämpfern der Freiheit und Toleranz - als ob Zigaretten generell verboten werden sollten. Sie wähnten gar die Wirtshausgemütlichkeit in Gefahr - als ob stinkende Einrichtungen und Kleidung in irgendeiner Weise gemütlich sein könnten.

Aber die Raucherlobby hat es nicht geschafft, den Verstand der bayerischen Wähler zu vernebeln. Sie entschieden: Der Gesundheitsschutz der Mehrheit soll schwerer wiegen als das Laster einer Minderheit. Und die für jeden schädliche Sucht soll klar geächtet werden - Schluss mit den halbherzigen Regelungen. Wer trotz besseren Wissens nicht auf das Rauchen verzichten mag, soll dies im privaten Raum oder an der frischen Luft tun. Natürlich geht damit auch ein wenig Stigmatisierung einher - aber es gibt kein besseres Signal an Jugendliche und Nichtraucher, um zu verdeutlichen, wie die Gesellschaft zum Rauchen steht.

Für die Regierungsparteien im Rest Deutschlands gibt es nun keine Ausreden mehr. Die anderen Bundesländer müssen sich Bayern zum Vorbild nehmen und schleunigst das Kuddelmuddel der Rauchverbot-Ausnahmen auflösen.

Die Beispiele anderer Staaten, die von Anfang viel mutiger konsequente Rauchverbote durchgesetzt haben, zeigen außerdem: Selbst bei den Rauchern wird sich die Empörung über die angebliche Freiheitsbeschränkung nach einiger Zeit legen. Denn im Grunde wissen die meisten Raucher ganz genau, dass sie moralisch im Unrecht sind.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Nach langem Hin und Her ist es in Bayern nun amtlich: das Rauchverbot. Und schon fragen sich alle, ob die Entscheidung eine Signalwirkung auf den Bund haben könnte. Aber nur weil Bayern seinen Bürgern das Rauchen verbietet, müssen wir das noch lange nicht nicht wie Lemminge nachmachen. Lasst den Menschen doch ein bisschen Freiheit!

Befürworter des Rauchverbots argumentieren, es könne ja nicht angehen, dass es in Deutschland 16 verschiedene Gesetze zum Nichtraucherschutz gebe. Und wieso nicht? Weil es besser wäre, wenn alle Bundesländer gleich geschaltet wären? Ungleichheiten machen doch den Reiz der verschiedenen Bundesländer aus. Sonst könnten wir gleich einen zentralistischen Staat aufbauen und alle Landesregierungen abschaffen.

Darüber hinaus ist staatliche Bevormundung immer schlecht. Und kontraproduktiv. Denn anstelle seine Einwohner zu mündigen Bürgern zu erziehen, hätschelt und tätschelt der Staat sie wie kleine Kinder, macht ihnen Vorschriften und entzieht ihnen jegliche Eigenverantwortung.

Menschen sind doch freie Wesen. Kluge Köpfe. Fähig, eigene Entscheidungen zu treffen. Wenn ich 20 Zigaretten am Tag rauchen möchte, ist das doch meine Sache. Wenn ich mich abends in einer verqualmten Kneipe aufhalten möchte, auch. Und wenn der Nichtraucher das nicht tun möchte, ist das seine. Die Entscheidung wird niemandem abgenommen, auch nicht dem Wirt, der sich wiederum entscheiden muss, ob er zwei getrennte Bereiche in seiner Kneipe haben möchte, keinen Raucherbereich oder keinen Nichtraucherbereich. Noch mal, das Zauberwort heißt: Eigenverantwortung. Und davon gibt es leider immer weniger.

Klar, wahrscheinlich ist es gesünder, in einer Stadt zu leben, in der Autos ohne Katalysator nicht mehr in die Innenstadt dürfen. Und ja, wahrscheinlich entscheiden sich Konsumenten eher gegen den Joghurt mit dem hohen Fettanteil, wenn die Zahlen dick und fett von der Kalorientabelle auf der Verpackung prangen. Und vermutlich ist es auch besser für jeden Einzelnen, abends in der Kneipe keine Zigaretten zu rauchen.

Aber erstens ist der alte VW Bus cooler als der neue Prius, zweitens schmeckt der fettreiche Joghurt besser als der fettarme und drittens ist es entspannend, in der Kneipe zum Bier genüsslich eine zu qualmen.

Letztlich muss sich jeder fragen, ob er in einer Gesellschaft leben will, in der Dinge bejaht werden und erlaubt sind - selbst, wenn diese Dinge für die Gesundheit des Einzelnen nicht immer vorteilhaft sind. Oder in einer Gesellschaft, die verneint, verbietet und anstatt des Genusses der Askese frönt.

Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich gehe kurz eine rauchen.

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