Schlimmer geht's nimmer - dachte das politische Berlin schon vor Monaten. Doch es geht immer noch schlimmer, wie die jünsten Umfragedaten des Meinungsforschungsinstitutes Forsa belegen. Demnach verharrt die SPD auf einem Rekordtief von 20 Prozent, mehr als ein Drittel der Parteimitglieder hat in jüngster Zeit über einen Austritt nachgedacht, 60 Prozent bewerten die Arbeit von Parteichef Kurt Beck negativ. Ist Beck noch länger zu halten?
"Er hat keine Chance", sagt Forsa-Chef Güllner im Videointerview mit stern.de. "Jeder Auftritt verschlimmert die Situation der SPD und sein Bild wird mit jedem Auftritt negativer." Nach Ansicht des Meinungsforschers hat sich die Ablehnung Becks inzwischen so verfestigt, dass sie nicht mehr umkehrbar ist. Beck selbst wollte sich zu den Forsa-Daten nicht äußern. "Meine Großmutter hat aus dem Kaffeesatz viel klügere Sachen erfahren als das", sagte der Pfälzer.
Hans Ulrich Jörges
analysiert den Zustand der SPD im aktuellen stern: "Das letzte Gefecht", ab S. 30
Ein Problem namens Schwan
Nach Güllners Einschätzung war die Nominierung der Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan zur Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten ein Kardinalfehler Becks. Damit habe er die Debatte über den Umgang mit der Linkspartei wieder entfacht - und die möglichen Mitspieler einer Ampel-Koalition, also FDP und Grüne, vor den Kopf gestoßen. Tatsächlich hat Schwan die Partei nicht aus ihrem Umfragetief herausreißen können, die Werte der SPD sind vielmehr weiter gefallen. Außerdem spaltet Schwan die Partei. 52 Prozent der SPD-Mitglieder begrüßen ihre Kandidatur, die andere Hälfte lehnt sie ab. Gewonnen hat durch Schwans Kandidatur nach Güllners Meinung bislang nur einer: Horst Köhler, der amtierende Bundespräsident, der im Mai 2009 zu einer Wiederwahl antritt. "Es versteht niemand, wieso man da jemanden dagegensetzen muss", sagt der Forsa-Chef.
Auf die Frage, wer Kurt Beck ersetzen könnte, nennt Güllner Außenminister Frank Walter Steinmeier. Er könnte demnach nicht nur Kanzlerkandidat, sondern auch Parteivorsitzender werden. Die Parteimitglieder würden Steinmeier als denjendigen betrachten, der Beck nachfolgen könne, sagt Güllner. Andererseits gibt es in der SPD auch große Vorbehalte gegenüber Steinmeier: Er zählt zum rechten Flügel der Partei und hat sich bei Wahlkämpfen noch nicht bewähren müssen.
Auflösungserscheinungen der SPD
Mit ihren 20 Prozent liegt die SPD bundesweit nur noch fünf Prozent vor der Linkspartei und sechs Prozent vor den den Liberalen. "Das sind klare Auflösungserscheinungen", sagt Güllner - und verweist auf die jüngst durchgeführten Kommunalwahlen in Sachsen. Dort konnte die SPD nur noch fünf Prozent der Wahlberechtigten für sich verbuchen. Was im Umkehrschluss heißt: 95 von 100 Wahlberechtigten wählten andere Parteien oder gar nicht. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla höhnte angesichts der Forsa-Daten: "Die SPD hat den Charakter einer Volkspartei bereits verloren. Man versucht jetzt krampfhaft, das zu kaschieren. Die Sozialdemokraten haben in der Auseinandersetzung mit der Linkspartei komplett versagt."
Beck will mit Konzepten punkten
Um die Partei wieder flott zu kriegen, will Beck künftig stärker die Inhalte in den Vordergrund stellen. "Natürlich stehen wir vor einer Herausforderung, das will ich gar nicht schönreden", sagte er am Mittwoch am Rande einer Veranstaltung in Dresden. "Meine Erwartung ist, dass wir mit den Konzepten, die wir auf den Tisch legen, wieder wahrgenommen werden und weniger über Querelen und Auseinandersetzungen." Es gebe eine "Berliner Krankheit", weniger die Inhalte als die Machtperspektive wahrzunehmen.

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Über die Inhalte streiten sich SPD und CDU am Mittwochabend im Koalitionsausschuss. Aus der CDU war vorab zu hören, dass die Sozialdemokraten aufgrund ihrer Krise kein verlässlicher Koalitionspartner mehr sein könnten.