Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin hat Kanzlerin Angela Merkel scharf angegriffen. Die Regierungschefin müsse ihre Ziele klarer definieren und sie dann auch durchsetzen, sagte Sarrazin dem "Handelsblatt". "Ich rate der Bundeskanzlerin, sich mal im stillen Kämmerlein einzuschließen, zwei Tage ruhig nachzudenken und sich zu überlegen, was sie wirklich will."
Die aktuelle Politik sei nach seinem Eindruck "ein müder Wiederaufguss der späten Kohl-Jahre", sagte der 64-Jährige der Online-Ausgabe der Zeitung. "Ich vermisse jedweden Ansatzpunkt, wie wir mit den Problemen umgehen sollen, die uns in Zukunft wirklich bedrücken." Es sei gefährlich, in Krisenzeiten Wahlversprechen abzugeben, die nicht zu halten seien.
Sozialdemokrat mit Sendungsbewusstsein
Konkret geißelte Sarazzin die geplante Steuerentlastung für das Hotelgewerbe. Er forderte eine "vernünftige Lösung in der Familien- und Bildungspolitik" sowie eine andere Rentenpolitik.
Der erst im Frühjahr zur Bundesbank gewechselte Sozialdemokrat hatte zuletzt Aufsehen mit umstrittenen Äußerungen zur Integration von Ausländern erregt. Der ehemalige Berliner Finanzsenator entschuldigte sich dafür, verlor im Bundesbank-Vorstand aber einen Teil seiner Macht, weil er dem Ruf des Hauses geschadet habe.