Passt Boris Palmer noch zu den Grünen? Was hat Rechtsaußen Andreas Kalbitz noch in der AfD vor? Und was hält eigentlich Thilo Sarrazin in der SPD, die seine Auffassungen von der Entwicklung der Gesellschaft im Grundsatz nicht teilt? Drei aktuelle Fälle, in denen so genannte Parteiordnungsverfahren angestrengt oder zumindest diskutiert wurden. Vor allem der Fall Sarrazin zeigt, wie quälend ein solches Verfahren in der Regel ist. Es zieht sich seit zehn Jahren, derzeit läuft der dritte Versuch der SPD, den umstrittenen Autor loszuwerden.
Doch warum ist es so schwer, jemanden aus einer Partei zu werfen? Die Antwort liegt in der besonderen Rolle der Parteien, die im Grundgesetz festgelegt ist.
Parteien müssen Meinungsvielfalt zulassen
Den Parteien kommt laut Artikel 21 des Grundgesetzes zu, "bei der politischen Willensbildung des Volkes" mitzuwirken. Sie sind im Grundsatz "Vereinigungen von Bürgern". Ihre innere Ordnung "muss demokratischen Grundsätzen entsprechen". Dazu gehört die Meinungsvielfalt. Ein von der Mehrheitsmeinung einer Partei oder ihren Grundsätzen abweichender Standpunkt kann also noch kein Grund für einen Parteiausschluss sein.
Willkürliche Ausschlüsse aus Parteien - etwa aus ideologischen Gründen oder auch nur persönlicher Antipathie - sollen nicht möglich sein. Das Parteiengesetz setzt daher in Paragraph 10, Absatz 4 hohe Hürden für einen Ausschluss. Dort heißt es: "Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt." Wichtig ist dabei, das Wort "und" zu beachten. Es müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein! Was genau ein "schwerer Schaden" ist, ist aber nicht eindeutig definiert. Nicht zuletzt deshalb ist es schwierig, einen Parteiausschluss zu begründen.
Klage gegen Parteiausschluss möglich
Innerhalb der Parteien geht einem Parteiausschluss ein so genanntes Parteiordnungsverfahren voraus. Zwar ist oft von "Parteiausschlussverfahren" die Rede, doch dies ist falsch, da das Verfahren laut Gesetz ergebnisoffen geführt werden muss. Die Details haben die Parteien in ihren Satzungen festgelegt. Die Verfahren können nur durch Bundes-, Landes- oder Kreisvorstände eingeleitet werden und werden dann von den parteiinternen Schiedsgerichten durchgeführt - auch hier gibt es in der Regel diverse Instanzen bis hin zur Bundesebene.
Kommt das parteiinterne Verfahren zu dem Schluss, ein Mitglied tatsächlich auszuschließen, kann dagegen eine Zivilklage angestrengt werden. Gibt das Gericht dem Kläger recht, ist der Parteiausschluss nichtig. Es kann aber - bei einem erneuten Anlass - von der Partei erneut ein Parteiordnungsverfahren angestrengt werden. Für Parlamentsabgeordnete bedeutet ein Parteiausschluss nicht den Verlust ihres Mandats, begründet jedoch den Ausschluss aus der Fraktion der jeweiligen Partei.
Quellen: Artikel 21 Grundgesetz; Artikel 10 Parteiengesetz; Bundeszentrale für politische Bildung; Dieter Grimm: Parlament und Parteien; Bayerischer Rundfunk; Nachrichtenagentur DPA