Union Rufe nach Friedrich Merz werden lauter

CDU-Steuerexperte Paul Kirchhof und dessen Steuerkonzept werden nicht nur von SPD und Grünen kritisiert, sondern zunehmend auch aus der eigenen Partei. Viele fordern eine Rückkehr von Finanzexperte Friedrich Merz in die Unionsspitze.

Paul Kirchhof, Wunschkandidat von Kanzlerkandidatin Angela Merkel für den Finanzministerposten nach einem Wahlsieg, wird nicht nur von SPD und Grünen attackiert, sondern stößt zunehmend auch bei Unions- und FDP-Politikern auf Kritik. Mehrere prominente Unionsvertreter plädieren dafür, dass der CDU-Finanzpolitiker Friedrich Merz wieder ein Spitzenamt übernehmen sollte, obwohl dessen Verhältnis zu Merkel als stark angespannt gilt.

Paul Kirchhof selbst hat angesichts von Forderungen nach einer verstärkten Einbindung von Friedrich Merz eine enge Zusammenarbeit mit dem CDU-Finanzexperten vorgeschlagen. "Ideal wäre eine Tandemlösung", sagte Kirchhof am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Heidelberg. Wenn Merz und er als exponierte Steuer- und Finanzexperten zusammen mit der Wahlkampfmannschaft der Union und Kanzlerkandidatin Angela Merkel ihre gesamte Kraft einsetzten, damit zum Januar 2007 eine neue Steuerpolitik gelinge, wäre dies eine Ideallösung.

Nach der Dauerkritik der SPD und Unmut in den eigenen Reihen über sein Wahlkampfverhalten ging Kirchhof gegen Rot-Grün nun zunehmend selbst in die Offensive. Auch in der Wissenschaft werde hart gefochten, sagte Kirchhof dem in Konstanz erscheinenden "Südkurier". "Aber ich habe bisher noch nicht erlebt, dass sich der Wettstreit wesentlich auf Unwahrheit und Irreführung stützt", fügte der ehemalige Verfassungsrichter hinzu.

Seinen Kritikern warf Kirchhof vor, dass der politische Gegner die CDU "planmäßig mit politischen Fehlinformationen bedrängt" - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeschlossen. Merkels Mann stellte sich nochmals hinter das Regierungsprogramm der Union und versicherte, dass "kleine Einkommen, etwa das der Krankenschwester oder des Schichtarbeiters, tatsächlich entlastet" würden. "Der politische Gegner versucht, mit falschen Zahlen und Fakten ein gegenteiliges Bild zu erzeugen. Das wird ihm letztlich nicht gelingen."

Die SPD erneuerte hingegen ihre Kritik an Kirchhofs weitergehendem Steuerkonzept, das allerdings nach Darstellung der Union in der kommenden Legislaturperiode gar nicht ansteht. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg-Otto Spiller, verwies darauf, bei Umsetzung des Konzepts, seien Ausfälle von 40 Milliarden Euro zu befürchten.

Merz verteidigt Kirchhof

Gegen die massiven Angriffe wurde Paul Kirchhof ausgerechnet von Friedrich Merz in Schutz genommen. Merz gab den Vorwurf der sozialen Ungerechtigkeit, den Bundeskanzler Gerhard Schröder und andere Spitzenvertreter von SPD und Grünen gegen Kirchhofs Steuerreformkonzept erhoben hatten, an die rot-grüne Regierung zurück. In einem vorab veröffentlichten Beitrag für den "Rheinischen Merkur" schrieb Merz, Kirchhof müsse jetzt den Kopf hinhalten "für die maßlosen Attacken des Bundeskanzlers und seiner Partei". Schröder und der SPD gehe es vor allem darum, von der Bilanz der rot-grünen Regierung in der Arbeitsmarktpolitik abzulenken. Merz warf der SPD-Führung vor, unsoziale Wirkungen des geltenden Steuersystems auszublenden. Zudem könnten sich die Sozialdemokraten nicht vorstellen, dass sich der Staat einmal mit niedrigeren Steuern begnügen und die Haushaltsprobleme durch Ausgabenkürzungen lösen müsse.

"Der Staat braucht das Geld, lautet der Obersatz von Franz Müntefering über jede Steuererhöhung", schrieb Merz mit Blick auf den SPD-Parteivorsitzenden. Die Antwort von Kirchhof laute: "Gebt den Bürgern unseres Landes Freiheit und Verantwortung für sich selbst immer dann zurück, wenn sie selbst dazu in der Lage sind." Merz kritisierte, dass der Sozialstaat ständig mit Forderungen nach Geldleistungen konfrontiert werde, die andere bezahlen sollten. Die Debatte um die Arbeitsmarktreform Hartz IV sei nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was komme, wenn die notwendigen Korrekturen der Sozialhaushalte tatsächlich vorgenommen würden. Merz äußerte sich allerdings nicht zu seiner politischen Zukunft.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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CDU-Spitzenpolitiker sind für Merz

Ungeachtet dessen sprachen sich weitere CDU-Spitzenpolitiker für Merz aus. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff hatte erklärt, Merz stehe für Spitzenämter in Deutschland zur Verfügung und werde gebraucht. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte im "Handelsblatt": "Ich wünsche mir, dass Friedrich Merz maßgeblichen Einfluss auf die Reformarbeit in der Steuer-, Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bekommt, weil er eine klare ordnungspolitische Position mitbringt." Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Der CDU-Nachwuchs unterstütze aus voller Überzeugung die Forderung aus der Partei, Merz wieder in die erste Reihe zurückzuholen.

Dagegen lehnt Thüringens Regierungschef Dieter Althaus lehnt eine Rückkehr des Finanzexperten Merz in eine Spitzenposition ab. "Ich halte die Debatte, die da derzeit stattfindet, für überflüssig", sagte Althaus im Deutschlandfunk mit Blick auf Forderungen, Merz in Spitzenpositionen zurückzuholen. "Friedrich Merz macht ganz aktiv Wahlkampf, er ist letztlich der Autor unseres Steuerrechts, was wir jetzt umsetzen wollen und insofern vermisse ich ihn nicht", erklärte Althaus, der im Wahlkampfteam von Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel für den Aufbau Ost zuständig ist. Merz habe für sich entschieden, nicht mehr in der ersten Reihe der Union tätig zu sein. Deshalb sei es von Merkel nur konsequent gewesen, den Steuerrechtler Paul Kirchhof als Finanzexperten ins Wahlkampfteam zu berufen. "Wir hoffen, dass wir die Mehrheit gewinnen, und dann wird er auch Bundesfinanzminister." Es gelte das von der Union aufgestellte Steuerprogramm, "dahinter steht auch Paul Kirchhof".

DPA · Reuters
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