Die Gewerkschaften wollen eine Beschneidung ihrer Rechte durch eine unionsgeführte Bundesregierung nicht ohne massive Gegenwehr hinnehmen. Sie drohten CDU und CSU unverhohlen mit in Deutschland grundsätzlich verbotenen politischen Streiks. Zugleich appellierten sie in der von SPD und Bundesregierung angestoßenen Debatte über höhere Löhne erneut an die Politik, sich aus Tarifangelegenheiten herauszuhalten.
Sollte eine unionsgeführte Regierung die Rechte der Gewerkschaften beschneiden, "dann würden wir auch zu Arbeitsniederlegungen aufrufen, um politische Entscheidungen zu beeinflussen", sagte der im Gewerkschaftslager als gemäßigt geltende Vorsitzende der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE), Hubertus Schmoldt, der Zeitung "Die Welt".
Nach den Vorstellungen der Union sollen Abweichungen vom Tarifvertrag künftig ohne Zustimmung der Gewerkschaften möglich sein, wenn der Betriebsrat und die Mehrheit der Belegschaft eines Unternehmens zustimmen. Schmoldt, der nach eigenen Angaben alle Einzelgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hinter sich weiß, sagte weiter: "Wenn uns als Gewerkschaften das Fundament genommen wird, auf dem wir auch Verantwortung für weitgehend friedfertige Auseinandersetzungen übernehmen, dann müssen wir uns dagegen wehren."
Die Lockerung arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen schafft nach den Worten von Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU) zwar größere Gestaltungsmöglichkeiten für Arbeitgeber, bringt aber keine neuen Arbeitsplätze in der benötigten Größenordnung. "Das heißt, wir müssen etwas für den Niedriglohnsektor tun, um zu verhindern, dass alles von Maschinen und nicht mehr von Menschen gemacht wird", so Böhmer zur DPA.
Teilweise Rückendeckung bekommen Gewerkschaften von Kanzler Gerhard Schröder. In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" sagte er, wenn es Branchen gut gehe, gönne er den Beschäftigten "einen ordentlichen Schluck aus der Pulle". Damit spricht er sich für höhere Löhne in gut gehenden Branchen aus, schränkte aber ein, dass Lohnsteigerungen in jedem Fall "in freien Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelt" werden müssten.
Materielle Beteiligung als Zeichen der Unternehmen
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, sagte der Nachrichtenagentur DPA, es wäre gut, wenn Unternehmen ein Zeichen setzten und Arbeitnehmer auch materiell an einer guten wirtschaftlichen Entwicklung beteiligten. Als Beispiel für gesunde Branchen nannte er chemische Industrie, Maschinenbau oder Möbelindustrie.
DGB-Chef Michael Sommer sagte der "Welt am Sonntag", die Tarifparteien seien in der Lage, ihre Forderungen allein aufzustellen. Offenbar in Anspielung auf die Initiatoren der Debatte um höhere Löhne - Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Finanzminister Hans Eichel (beide SPD) - zeigte er sich erstaunt, wie "viele Politiker, die gestern noch dem Niedriglohn das Wort geredet haben, heute für höhere Löhne plädieren".

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Höhere Löhne stehen für einige Wirtschaftsvertreter dagegen nicht zur Debatte. Der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks, Otto Kentzler, sagte: "Für eine Erhöhung der Bruttolöhne im Handwerk sehe ich keinen Spielraum." FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bezeichnete die SPD-Forderung in der "Berliner Zeitung" als "in höchstem Maße unsinnig".