Versammlungsrecht Kampfansage gegen Rechts

Ein erneuter NPD-Verbotsantrag scheint vorerst kein Thema zu sein. Stattdessen wollen Regierung und Opposition den Nazis jetzt mit einem verschärften Versammlungsrecht den Kampf ansagen.

Die rot-grüne Koalition will die geplante Verschärfung des Versammlungsrechts schon Ende dieser Woche in den Bundestag einbringen. Das kündigte der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering nach einem Treffen des Koalitionsausschusses in Berlin an. Auch in den Reihen der Opposition findet die Regierungsinitiative Zustimmung.

Vorschläge von Schily und Zypries umstritten

Im jetzt vereinbarten Gesetzentwurf wurden allerdings nach Angaben des SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz einige Streitfragen zunächst einmal ausgeklammert. So habe sich die Koalition noch nicht auf eine endgültige Formulierung für die von Bundesinnenminister Otto Schily und Justizministerin Brigitte Zypries (beide SPD) vorgeschlagene Verschärfung des Volksverhetzungstatbestands geeinigt, sagte Wiefelspütz. Eine gemeinsame Formulierung solle aber noch so rechtzeitig in das Gesetzespaket einfließen, so dass am Ende der kommenden Woche der Bundestag in zweiter und dritter Lesung darüber abstimmen kann.

Inhalt sind ein erleichtertes Versammlungsverbot an Mahnmalen und ein gestärktes Strafrecht, um gegen Volksverhetzung vorgehen zu können. Der Bundesrat muss dem Gesetzesvorhaben zustimmen. Müntefering zeigte sich überzeugt, dass mit den Änderungen die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um gegen die geplanten NPD-Aufmärsche am 8. Mai angehen zu können. Mit den Änderungen soll ein internationales Zeichen gesetzt werden, wie beide Koalitionspartner ausdrücklich betonten.

Gleichzeitig riefen Müntefering und die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth alle demokratischen Kräfte dazu auf, zusätzlich zur Feierstunde im Bundestag am 8. Mai auch zum Brandenburger Tor zu ziehen, um die dort geplante NPD-Veranstaltung zu stoppen. Roth sprach von einem "deutlichen Signal" für die Bedeutung von Demokratie und Verfassung. Müntefering forderte, von einer gemeinsamen Gegenveranstaltung solle eine klare Botschaft an "die Nazis" ausgehen.

Das geplante Gesetz regelt ausdrücklich, dass für Demonstrationen und Kundgebungen an Orten, "die zu nationalen Symbolen geworden sind wie das Holocaust-Mahnmal“ Auflagen erteilt oder ein Versammlungsverbot verhängt werden kann. Gleiches soll für Standorte ehemaliger Konzentrationslager gelten. Außerdem soll das "Billigen, Leugnen und Verharmlosen von geschichtlich anerkannten Tatsachen", wie dem NS-Völkermord, unter Strafe gestellt werden. Die Bundesregierung will zudem die strafrechtliche Verfolgung von rassistischer und fremdenfeindlicher Hetze über das Internet erleichtern.

"Wollen bewusste Provokation nicht zulassen

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein hat die geplante Verschärfung des Versammlungsrechts noch vor dem 8. Mai begrüßt. Die Innenminister der Länder verlangten seit Jahren entsprechende Schritte, um Volksverhetzung entgegenzutreten, sagte der CSU-Politiker. Zwar solle die hohe Qualität des Versammlungsrechtes weiter beachtet werden. "Aber wir wollen bewusste Provokation anderer nicht zulassen", betonte Beckstein.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Es sei völlig eindeutig, dass das bestehende Recht nicht ausreiche, um eine Demonstration beispielsweise am Holocaust-Mahnmal zu verhindern. Voraussetzung für ein Demonstrationsverbot sei derzeit die sichere Einschätzung, dass die Veranstaltung zu Straftaten führen werde. Eine solche Prognose sei aber außerordentlich schwierig, erklärte der Minister. Daher sei eine Rechtsänderung notwendig. Ob eine Positiv-Liste die Orte aufführen solle, an denen Extremisten demonstrieren dürften, oder ob das Gesetz eher allgemein formuliert werden sollte, hält Beckstein nach eigenen Worten für eine mehr rechtstechnische Frage.

Union für Ausweitung des "befriedeten Bezirks"

Die Union wird am Freitag einen Antrag einbringen, der eine Ausweitung des so genannten befriedeten Bezirks rund um den Bundestag in Richtung Brandenburger Tor und Holocaustmahnmal vorsieht. Auch damit sollen Aufmärsche von Rechtsextremisten verhindert werden. Wiefelspütz sagte, die Koalition habe aber hier verfassungsrechtliche Bedenken, ob diese Ausweitung der richtige Weg sei.

AP · DPA
DPA/AP