Acht Jahre nach Beginn der Afghanistan-Mission hat sich Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von dem Ziel verabschiedet, dort eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu etablieren. Der "Bild am Sonntag" sagte der CSU-Politiker: "Ich bin schon länger zu der Überzeugung gelangt, dass Afghanistan gerade wegen seiner Geschichte und seiner Prägung sich nicht als Vorzeige-Demokratie nach unseren Maßstäben eignet. Und wir müssen uns fragen, wer von den Aufständischen stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Staatengemeinschaft dar und wem geht es um afghanische Angelegenheiten. Die Frage der Menschenrechte muss dabei einbezogen werden, ohne die gewachsenen Kulturen in Afghanistan zu ignorieren."
Guttenberg plädierte zum wiederholten Mal dafür, gemäßigte Taliban nicht von einer künftigen Regierung auszuschließen. Das sei notwendig, um das Land dauerhaft zu befrieden.
Rechtfertigung von Oberst Klein
Unterdessen wurden neue Details zum Luftangriff von Kundus bekannt, dem blutigsten Militärschlag in der Geschichte der Bundeswehr. In einer Stellungnahme vom 5. September, aus der der "Spiegel" zitiert, rechtfertigt Oberst Georg Klein den Einsatz. Er habe "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt und versucht, zivile Opfer zu vermeiden. Deshalb habe er den US-Kampfpiloten befohlen, "kleinere Wirkmittel" [Bomben, Red.] einzusetzen. Die bisher veröffentlichten Berichte stellen es genau anders herum dar: Demnach wollten die Piloten weniger Bomben einsetzen als von Klein angefordert.
Die Stellungnahme Kleins wird Gegenstand im Untersuchungsausschuss sein, der im Januar den Luftangriff von Kundus unter die Lupe nehmen wird. Guttenberg hatte angedeutet, dass es Papiere wie diese waren, die den Wechsel in seiner Einschätzung begründeten. Zunächst sprach er von einem "angemessenen" Militäreinsatz, später sagte er, dieser sei "nicht angemessen" gewesen.
SPD will Mitglieder zu Afghanistan befragen
Wie der "Spiegel" weiter berichtet, will die SPD ihre Mitglieder zur Afghanistan-Politik befragen. Zunächst soll der Parteivorstand mit Altkanzler Helmut Schmidt am 25. Januar eine Beschlussvorlage erarbeiten, dann soll die Partei darüber diskutieren. Auf Grundlage der Rückmeldungen will die SPD endgültig ihre Position fixieren.
Parteichef Sigmar Gabriel und der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier haben bereits erklärt, die SPD werde einer Entsendung zusätzlicher Kampftruppen der Bundeswehr nach Afghanistan nicht zustimmen. Kritik an dieser Linie kommt aus der CDU. "Es wäre fatal, wenn sich die SPD von ihrer früheren Position verabschieden würde", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU). Umstritten innerhalb der SPD ist die Frage eines baldigen Rückzugs aus Afghanistan. Vorstandsmitglied Niels Annen sagte dem "Spiegel": "Es wäre problematisch, wenn wir jetzt die Haltung einnehmen würden, einfach zu gehen, weil wir uns das alles anders vorgestellt hatten."