Visa-Affäre "Schily steckt mitten in der Affäre"

Die Affäre um Visa-Missbrauch erreicht jetzt das Bundesinnenministerium: Die Opposition fragt sich, warum Otto Schily die Innenministerkonferenz nie über das Thema informiert habe.

Die parlamentarische Untersuchung der Visa-Affäre birgt für die Koalition mehr politischen Sprengstoff als von Rot-Grün zunächst angenommen. Nach Außenminister Joschka Fischer (Grüne) muss sich jetzt Innenminister Otto Schily (SPD) fragen lassen, warum er so lange über die Missstände bei der Visa-Vergabe an der deutschen Botschaft in Kiew geschwiegen hat. Auch zieht die Affäre weitere Kreise. Jetzt hat sich die Europäische Kommission eingeschaltet und prüft die deutschen Visa-Bestimmungen.

Während sich Zeitungen und Magazine mit Enthüllungen übertreffen, wann Fischer und Schily angeblich über Schleuserkriminalität und Menschenhandel informiert wurden, bemühen sich die Verantwortlichen im Untersuchungsausschuss um Aufklärung der Affäre. Das hindert sie nicht daran, mit Schuldzuweisungen an die Öffentlichkeit zu treten. Doch Rot-Grün hat im Ausschuss durchgesetzt, dass erst Aktenstudium und Beweisaufnahme stattfinden. Erst danach soll die politische Verantwortung geklärt werden.

"Schily steckt mitten in der Affäre"

Nachdem die Union mit dem Antrag gescheitert ist, Fischer zunächst einmal am 11. April zu vernehmen und dann noch einmal nach der Beweisaufnahme, hat nun die FDP am Wochenende den Vorstoß unternommen, den Innenminister vor den Ausschuss zu zitieren. "Schily steckt mitten in der Affäre und muss erklären, wieso er seine Bedenken gegenüber der Politik des Außenministers zurückgestellt hat und warum er nicht einmal auf Berichte reagiert hat, die alle seine Bedenken doch sicher bestätigt haben", sagte FDP-Obmann Hellmut Königshaus.

Laut "Tagesspiegel" haben zwei Länderinnenminister dem Bundesinnenminsterium schwere Vorwürfe gemacht. Da das Schily-Ministerium von den Missständen in der deutschen Botschaft in Kiew gewusst habe, hätte es die Länder warnen müssen, sagte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) warf Bundesminister Otto Schily (SPD) vor, das Thema nicht auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gesetzt zu haben.

Erst die Akten, dann die Zeugen

Unionsobmann Eckart von Klaeden räumte ein, dass Schily für die Grenzsicherung verantwortlich ist. Aber man habe sich im Ausschuss geeinigt, in der Visa-Affäre zunächst die Betroffenen vor Ort und in den Ministerien zu hören und dann erst die politisch Verantwortlichen, sagte Klaeden im Deutschlandradio. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Volker Neumann (SPD) sagte: "Zunächst die Akten und dann die Zeugen." Königshaus will dagegen zuerst von den Ministern hören, "was eigentlich war".

Nachdem Fischer in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme den Eindruck vermittelt hatte, er wolle eventuelle Missstände bei der Visa-Vergabe den ihm untergeordneten Mitarbeitern anlasten, ticken möglicherweise im Auswärtigen Amt einige Zeitbomben. Der "Spiegel" lenkte das Augenmerk auf Roland Lohkamp, von 1999 bis 2002 im Außenamt für Visa-Fragen zuständig.

Er habe mehrfach in Sitzungen mit der Amtsspitze, an denen einmal auch Fischer teilgenommen habe, seine Bedenken vorgetragen. Wegen der Erlasse nach der Amtsübernahme durch die Grünen sei eine Prüfung der Reisegründe an den Botschaften praktisch nicht mehr möglich. Seine Bedenken seien zurückgewiesen worden, und Lohkamp auf einem wenig attraktiven Botschafterposten im Zwergstaat Luxemburg gelandet.

AP
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