Vorstoß zur Rentengarantie Brüderle verschweigt die echten Probleme

  • von Hans Peter Schütz
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle will die Rentengarantie abschaffen - wichtiger wäre jedoch eine generelle Diskussion über die Altersvorsorge. Denn noch gibt es keine vernünftige Lösung dafür, dass immer mehr Rentner auf Kosten immer weniger Arbeitnehmer leben.

Rainer Brüderle grüßt herzlich aus dem politischen Sommerloch. Die Versuchung ist ja auch zu verlockend. Relativ unbedrängt von anderen Politikern ein Thema breitflächig in die Medien zu drücken, wie dies nur möglich ist, wenn bis auf die Berliner Stallwachen drittklassiger Bedeutung keine Konkurrenz zu befürchten ist. Und der Bundeswirtschaftsminister gehört in der Tat zu jenen Kabinettsmitgliedern, die ein bisschen Profilpflege durchaus vertragen können.

Ob ihm dies jedoch mit der Methode gelingt, mit der er das hoch emotionale Thema Alterversorgung jetzt thematisiert hat, muss sehr bezweifelt werden. Sein Ruf nach Aufhebung der Rentengarantie hat nullkommanull Chancen auf politische Umsetzung. Große Teile der CDU, die gesamte SPD, alle Gewerkschaften und Sozialverbände sind stramm dagegen. Und ganz vorne an der Verteidigungsfront marschiert die Bundeskanzlerin Merkel höchst persönlich.

Rentenerhöhungen werden einfach halbiert

Diese Rentengarantie ist schließlich von der Großen Koalition unter ihrer Führung geschaffen worden. Sie garantiert, dass die Renten nicht sinken, wenn die beschäftigten Arbeitnehmer Lohneinbußen hinnehmen müssen, wie dies 2009 der Fall gewesen ist. Aktuelle Wirkung der Rentengarantie: Die Altereinkünfte wurden dieses Jahr nicht um rund ein Prozent gesenkt, wie es eigentlich der Fall hätte sein müssen. Die Rentner legten eine Nullrunde ein. Auf Dauer betrachtet entgehen sie aber nicht den Folgen der verringerten Lohnzahlungen der Beschäftigten. In den nächsten Jahren werden denkbare Rentenerhöhungen so lange halbiert, bis die Rentner die ihnen zunächst ersparte Kürzung wieder eingebracht haben. Die Verrechnung ist eben nur auf der Zeitachse verschoben. Kurzum, die bittere Pille wird den Rentnern zeitlich gestreckt verabreicht – schlucken müssen sie sie trotzdem.

So gesehen ist Brüderles Vorstoß rundum überflüssig. Er wollte sich halt mal wieder mit dem Orden des mustergültigen Ordnungspolitikers schmücken.

Diskussion um Rentengerechtigkeit nötig

Wenn es ihm indes ernst wäre mit seiner Diskussion über eine Neuordnung der Frage der Altersversorgung, müsste er vor allem die Frage nach der Rentengerechtigkeit in der Bundesrepublik stellen. Es ist schließlich keineswegs in den vergangenen Jahren so gewesen, dass den aktiven Arbeitnehmern stets nur neue Lasten aufgebürdet wurden; ihre Beiträge etwa zur Arbeitslosenversicherung wurden gesenkt. Die Rentner gingen da leer aus. Die gesamte Thematik ist durch ein geradezu chronisches Taktieren der politisch Verantwortlichen gekennzeichnet. Je näher wichtige Wahltermine rücken, desto reformfreudiger gibt man sich. Hinter wird dann wieder einkassiert.

Nur eines geschieht nicht: Die Frage wird nicht gestellt, wie lange der von der Politik viel beschworene Generationenvertrag in dieser Gesellschaft überhaupt noch hält. Immer weniger aktive Arbeitnehmer müssen immer mehr Rentner finanzieren. Die Kinder werden immer weniger, die immer älter werdenden Alten immer mehr. Die Zahl der über Sechzigjährigen wird im Jahr 2040 rund ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Vor rund 50 Jahren lag der Anteil dieser Sechzigjährigen bei knapp 15 Prozent. Die Lebenserwartung Neugeborener beträgt in der Bundesrepublik heute rund 80 Jahre.

Stillschweigen über späte Rente

Wie aber soll das System unserer Altersversorgung diese demografische Revolution verkraften? Im Prinzip nur durch Verlängerung der Lebensarbeitszeit noch über 67 Jahre hinaus. Doch darüber redet keine politische Partei auch nur halbwegs vernehmlich, auch die Liberalen des Herrn Brüderle nicht. Und striktes Stillschweigen herrscht, wenn es um die Frage geht, ob denn die Versorgung der Beamtenschaft weiterhin in nicht zu rechtfertigendem Abstand zu den Renten weiterhin bestehen kann. Die Beamtenpensionen liegen überaus deutlich über den Rentenbezügen, obwohl die Gehälter der Staatsdiener keineswegs mehr wie zu Kaisers Zeiten deutlich unter denen der normalen Arbeitnehmer liegen. Sie befinden sich - mindestens – auf vergleichbar hohem Niveau.

Darüber schweigt Rainer Brüderle natürlich, er will doch das FDP-Stammpublikum nicht verärgern. Und er schweigt ebenso konsequent darüber, dass sich die Altersversorgung von Bundestagsabgeordneten und vor allem der Bundesminister noch immer auf geradezu paradiesischer Höhe befinden. Um deren Höhe zu erreichen müsste ein normaler Arbeitnehmer etwa dreihundert oder mehr Jahre leben und arbeiten.