Wahljahr 2008 Duell der Kronprinzen

  • von Hans Peter Schütz
Das Wahljahr 2008 könnte spannender nicht beginnen: Bei drei Landtagswahlen geht es für die CDU und ihre Ministerpräsidenten Wulff, von Beust und Koch darum, sich als Kronprinzen zu empfehlen. Und für die Kanzlerin um nichts weniger als die Bundestagswahl Ende nächsten Jahres.

Einer der Kronprinzen wird gewinnen. Und sei es nur dadurch, dass er weniger verliert als der andere. Roland Koch oder Christian Wulff? Nach Lage der Demoskopie, aber auch der Fakten dürfte dies der Niedersachse Wulff sein. Der Hesse Koch darf sich schon glücklich schätzen, wenn er weiterregieren darf. Unerreichbar die 48,8 Prozent, mit der er 2003 die absolute Mehrheit eroberte. Wulffs Messlatte sind 48,3 Prozent, mit denen er seit fünf Jahren in einer Koalition mit der FDP regiert hat.

Spannender könnte das politische Jahr 2008 nicht beginnen als mit den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 27. Januar. Es geht um weit mehr als um die Macht in Hannover oder in Wiesbaden. Bundespolitische Wegmarken werden dabei gesetzt:

  • Beide CDU-Ministerpräsidenten müssen sich auf Verluste ihrer Partei einstellen. Beide werden nicht zögern, den Abwärtstrend als bundespolitischen Preis für das Wirken der Großen Koalition in Berlin und deren Kanzlerin Angela Merkel zu deklarieren.
  • Für die Kanzlerin geht es bei diesen Wahlen um die Ausgangsposition für die zweite Halbzeit ihrer Kanzlerschaft, die deutlich stärker innenpolitisch geprägt sein wird als die erste. Schluss mit bella figura auf den roten Teppichen dieser Welt. Der Kampf um die beste Ausgangsposition bei der Bundestagswahl 2009 beginnt.
  • Die SPD und ihr Vorsitzender Kurt Beck stehen ebenfalls auf dem Prüfstand. Kommen die Genossen endlich wieder deutlich aus dem 30-Prozent-Loch, in dem sie seit Langem gefangen sind? Wahlergebnisse in der Nähe der 35-Prozent-Marke wären dafür ein Indiz, das den Genossen Hoffnung macht.
  • Getestet wird auch die Linkspartei. Schafft sie den Sprung in den hessischen Landtag, wofür zur Stunde alles spricht, dann ist sie auch im Westen der Bundesrepublik als politische Kraft etabliert. Ihr Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch selbstbewusst: "Leuchtet im Januar eine Zahl größer als fünf auf, dann hat sich die Bundesrepublik qualitativ verändert."

Im Duell auf Distanz, das sich Koch und Wulff liefern, geht es vor allem um die Frage, wer künftig der erste Mann der CDU hinter der Parteivorsitzenden und Kanzlerin sein wird. Das war bisher unstrittig Roland Koch, der sich um bedingungslose Loyalität zu Merkel bemüht hat. Kritische Worte zum Kurs der Kanzlerin? Fehlanzeige. Doch jetzt muss er im schlimmsten Fall sogar mit dem Machtverlust rechnen, wenn die Linkspartei in den Wiesbadener Landtag einzieht.

Koch erkennt die Gefahr

Zwar beteuert die SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti unermüdlich, dass sie ein Bündnis mit der Lafontaine-Partei ablehnt. Abgesehen davon, dass damit das endgültig letzte Wort in dieser Frage nicht gesprochen sein dürfte, käme für sie - ohne wortbrüchig zu sein - auch ein von der Linken toleriertes rot-grünes Bündnis infrage. Koch hat die Gefahr längst erkannt und versucht mit dem polemischen Kampf gegen die Linkspartei ebenso zu punkten wie mit einer Kampagne zur Verschärfung des Strafrechts für jugendliche Vielfach-Straftäter.

Christian Wulff andererseits muss sich um die Machtbehauptung in Niedersachsen nicht sorgen. Die erneute Mehrheit der schwarz-gelben Koalition gilt als sicher. Wulffs Distanz zur Politik Merkels in Berlin war unübersehbar. Er ist der Einzige, der sich in den Führungsgremien der CDU noch Widerworte gegen die Regierungschefin erlaubt, was ihm immer wieder den Vorwurf der Illoyalität eingetragen hat. Auch in Hintergrundgesprächen mit Journalisten zieht er regelmäßig über die Große Koalition her. Allerdings betonen seine Mitarbeiter, dass Wulff Kritik an politischen Positionen Merkels stets nur dann halböffentlich mache, wenn er sie intern der Kanzlerin "mindestens dreimal ohne Erfolg vorgetragen hat". Es sei endlich an der Zeit, dass Merkel ihr fast schon chronisches Misstrauen Wulff gegenüber endlich überwinde. Wulffs Kritiker im Kanzleramt wiederum werfen ihm "ständigen, opportunistischen Wechsel seiner Standpunkte" vor.

Hamburg bald schwarz-grün?

Im Berliner Kanzleramt macht man sich wenig Illusionen über den Ausgang der Landtagswahlen. Dort geht man davon aus, dass auch die unverändert guten persönlichen Sympathiewerte der Kanzlerin schlechtere Ergebnisse der CDU nicht verhindern werden. Sie übertragen sich nicht auf die Partei. Das werde so in Hessen wie in Niedersachsen sein und ebenso in Hamburg, wo am 24. Februar bereits der nächste Test ansteht. Auch Ole von Beust habe dort keine Chance, die 2004 eroberte absolute Mehrheit (47,2 Prozent) zu verteidigen. Mit der Wahl an der Elbe verknüpft Merkel allerdings die Hoffnung auch eine Erweiterung ihrer strategischen Optionen: Bei der notorischen Schwäche der FDP in Hamburg, die vermutlich erneut nicht den Sprung in die Bürgerschaft schafft, könne von Beust ein schwarz-grünes Bündnis schließen. Für das Kanzleramt steckt darin, wie es in der Umgebung Angela Merkels heißt, "ein wichtiger Akzent". Im Klartext: Schwarz-Grün in Hamburg wäre ein Testlauf für die Bundestagswahl 2009 für den Fall, dass es für Union und FDP zusammen nicht für eine Mehrheit reicht und eine Jamaika-Koalition geprüft werden muss.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Dass die Große Koalition in Berlin auf jeden Fall zusätzliche Probleme bekommt, davon gehen alle Beteiligten aus. Gewinnt die SPD in Hessen, Niederachsen und Hamburg hinzu, wird sich Beck mit seinem "Linksruck" bestätigt sehen, noch enger den verlorenen Schulterschluss mit den Gewerkschaften suchen und die Kanzlerin mit ihrem Wackelkurs in Sachen Mindestlohn vor sich her treiben. Hinzu kommt, dass für 2008 ein schwächeres Wirtschaftswachstum prognostiziert wird, was wiederum zu zusätzlichen unpopulären Sparaktionen im Bundeshaushalt für 2009 führen könnte, der bis zum kommenden Herbst stehen muss.

CSU muss sich stabilisieren

Längst hat man sich in Merkels Umgebung damit abgefunden, dass auch mit ihr kaum mehr als 40 Prozent der Stimmen bei der Bundestagswahl erreichbar sind. Das setze im Übrigen zusätzlich voraus, dass sich die bayerische CSU nach ihrem turbulenten Jahr und dem erzwungenen Abgang von Edmund Stoiber wieder stabilisiere. Nur wenn die CSU in Bayern - hier wird im Herbst 2008 gewählt - wie in der Vergangenheit wieder deutlich mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichen und damit die schwächeren Ergebnisse in den CDU-Ländern ausgleiche, könne es 2009 zu einer Koalition mit den Liberalen reichen. Niemand wisse zudem, wie sich die Lage in Sachsen entwickle, wo Regierungschef Milbradt als Ministerpräsident auf Abruf gilt, weil er die politische Verantwortung für die krisengeschüttelte Landesbank trägt. Und in Schleswig-Holstein würde die dort regierende Große Koalition sich ebenfalls lieber heute als morgen aus dem ungeliebten Bündnis verabschieden.