Strebl sagte der "Leipziger Volkszeitung", die Union habe sich ohne soziale Seele, mit viel handwerklichen Fehlern und einer Kandidatin gezeigt, "die viele von uns nicht wollten". Merkel habe die Arbeitnehmerinteressen ignoriert. "So wie ich denken ganz viele in der Union", sagte Strebl, der am 18. September den Wiedereinzug in den Bundestag verfehlt hatte. Es sei entweder naiv oder ein Beleg für schwere handwerkliche Fehler, wenn die Union glaube, mit "Anti-Arbeitnehmer-Themen" wie Eingriffen beim Kündigungsschutz oder dem Wegfall der Kilometerpauschale und mit Steuersenkungen für besser Gestellte eine Mehrheit überzeugen zu können. Als katastrophal für die Stimmung habe sich schließlich die Berufung des Steuerexperten Paul Kirchhof in das Wahlkampfteam der Union erwiesen. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber trage eine große Mitverantwortung für das schlechte Abschneiden der Union. Die CSU-Spitze habe es versäumt, das soziale Profil der Schwesterparteien herauszustellen.
Führende Unionspolitiker lehnen Merkels Amtsverzicht ab
Einen Tag vor der Nachwahl in Dresden sind die Fronten im Machtkampf zwischen Union und SPD weiter verhärtet. Führende Unionspolitiker wiesen in Interviews Forderungen aus der SPD nach einem Verzicht von Kanzlerkandidatin Angela Merkel zurück. Dagegen bekräftigte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter die Ablehnung von Merkel als Kanzlerin.
Ähnlich äußerten sich SPD-Fraktionsvize Michael Müller und der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Wolfgang Bosbach sagte, niemand in der Union stelle in Frage, dass Merkel Kanzlerin werden sollte. Je stärker die SPD Druck ausübe, umso geschlossener sei die Union, wurde der CDU-Politiker zitiert.
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff sagte, Merkel habe die wichtigen Voraussetzungen für das zentrale Amt des Regierungschefs und Kanzlers. Die CDU-Chefin zeichneten "Mut, Willensstärke und Kompetenz" aus. Zu Zeiten der Wende und der Wiedervereinigung, bei der Spendenaffäre sowie in der gegenwärtigen Situation habe sie stets für einen couragierten Neuanfang gestanden.
Stegner: Merkel ist der Wahlverlierer
Bosbach forderte einen raschen Amtsverzicht von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Das würde die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten erleichtern, betonte der CDU-Politiker. Ein Vertagen der Personalentscheidung an das Ende der Gespräche mit der SPD werde es nicht geben. Benneter sagte dagegen, zu einer stabilen Regierung für Erneuerung und sozialen Zusammenhalt müssten auch die Führungsfiguren passen. "Frau Merkel, die das Sinnbild für sozialen Kahlschlag darstellt und in den eigenen Reihen für eine Leichtmatrosin gehalten wird, kann eine solche Regierung wohl kaum repräsentieren", wurde er zitiert.
Das sei bei Gerhard Schröder ganz anders. Müller sagte, es könne doch nicht sein, dass Merkel im Wahlkampf Reformen, Aufbruch und Erneuerung ins Zentrum gestellt habe, und nun gehe es nur um Personen. Stegner sagte, es gebe keinen Grund für die SPD, in ein Kabinett unter Merkel einzutreten. Merkel sei der Wahlverlierer. Er halte es nicht für wahrscheinlich, dass die CDU-Parteichefin Kanzlerin werde. Schröder habe in der SPD mehr Rückhalt als Merkel in der CDU.

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Dresdenwahl laut Experte entscheidend für Rücktritt Schröders
Das Ergebnis der Bundestagsnachwahl in Dresden wird dem Parteienforscher Karl-Rudolf Korte zufolge über einen möglichen Rücktritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder entscheiden. "Der Abstand zwischen Union und SPD ist entscheidend: Wer von beiden stärker wird, kann in den Koalitionsverhandlungen mehr Forderungen stellen", sagte Korte der "Bild"-Zeitung. Das sei "mehr als ein atmosphärisches Detail. Der Preis des Rücktritts des Kanzlers hängt damit zusammen". Je nach Erst- und Zweitstimmenergebnis in Dresden kann sich demnach der Vorsprung der Union vor der SPD im Bundestags von derzeit drei auf vier Mandate erhöhen, aber auch auf einen Sitz schrumpfen.