Thomas Oppermann klingt ein wenig missmutig. Zumindest einen Satz lang. "Der Rhythmus der Politik in Deutschland richtet sich doch sehr nach den Landtagswahlen", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag. Selbstredend, dass er Sekunden später auch eine Lösung für diesen Missstand parat hat. "Wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, ob wir so etwas wie einen Electionday einführen", so Oppermann. Alle Landtagswahlen eines Jahres an einem Tag, zusammen mit den eventuell anstehenden Europa- und Bundestagswahlen. "Das würde die Handlungsfähigkeit der Politik in Deutschland enorm stärken."
Oppermanns Vorschlag ist eine logische Zuspitzung dessen, was der SPD-Parteivorstand am Montag beschlossen hat. Generalsekretär Hubertus Heil verkündete den Entschluss auf einer Pressekonferenz in Berlin: "Wir halten es für keine gute Idee, die Menschen im nächsten Jahr dreimal an die Wahlurne zu holen", so Heil (Zu den Landtagswahlen und der Bundestagswahl kommt noch die Europawahl im Juni, d.Red.). Die vier Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen, Brandenburg und im Saarland sollten auf das Datum der Bundestagswahl gelegt werden. "Das spart Kosten", sagte der sozialdemokratische Spitzenpolitiker. Und außerdem sei so mit einer hohen Wahlbeteiligung zu rechnen. "Jeder Demokrat sollte auf eine hohe Wahlbeteiligung hoffen", so Heil. Und fügt schnell hinzu: "Es hat nichts mit möglichen Koalitionen zu tun."
Voraussichtlich am 27.9.2009 wird der neue Bundestag gewählt werden, hieß es kürzlich aus Koalitionskreisen. Doch ob die Wahltermine wirklich zusammengelegt werden, ist mehr als fraglich. Klar ist: Die Parteien haben neben Kostenreduktion und einer möglichen Steigerung der Wahlbeteiligung auch strategische Gründe im Kopf, wenn es um die Ansetzung der Wahlen geht.
SPD in Thüringen hinter der Linken
Das trifft vor allem die SPD: Sowohl in Thüringen als auch im Saarland kämpfen Sozialdemokraten und Linke um den zweiten Platz im Parteienspektrum. In beiden Ländern sind rot-rote Bündnisse zumindest theoretisch möglich. Laut einer Infratest-Umfrage vom 8. Mai liegt die SPD in Thüringen bei 23 Prozent, die Linke bei 29 Prozent. Im Saarland ist das Rennen zwischen beiden Parteien ebenfalls offen, dort lag die Linke in einer Emnid-Umfrage vom März bei 19 Prozent, allerdings mit stark steigender Tendenz. Die SPD kam damals noch auf 25 Prozent der Stimmen. Sollten die Landtagswahlen im direkten Vorfeld der Bundestagswahl stattfinden, könnte dies weitreichende Folgen haben: Ändert sich nichts, stünden die Sozialdemokraten in beiden Ländern vor einem Scherbenhaufen, und eine mögliche "Rote-Socken-Kampagne" der CDU bekäme eine konkrete Grundlage.
Eine hohe Wahlbeteiligung dagegen würde den Wahlerfolg der Linken abbremsen, so die Hoffnung im Lager der Sozialdemokraten. Da bei Bundestagswahlen erfahrungsgemäß mehr Menschen zur Urne gehen als bei Landtagswahlen, könnte die Zusammenlegung der Termine nicht nur einen strategischen, sondern - falls die Annahme stimmt - auch eine faktischen Vorteil für die Sozialdemokraten bedeuten.
"Landesthemen im Vordergrund"
Bei den Christdemokraten jedoch stößt das Vorhaben naturgemäß auf wenig Gegenliebe. Zum Beispiel in Thüringen, wo die CDU seit 18 Jahren den Ministerpräsidenten stellt und in den vergangenen neun Jahren mit absoluter Mehrheit regiert hat. "Wir wollen Landesthemen in den Vordergrund stellen", sagte Regierungssprecher Fried Dahmen. Der Landtagswahltermin solle deswegen "in gebührendem Abstand zur Bundestagswahl" gelegt werden, wohl Ende August oder Anfang September. Dahmen sagte außerdem, dass die Staatskanzlei momentan Gespräche mit den anderen Ländern führe, in denen Landtagswahlen anstehen.
Auch die saarländische Regierung steht der Termin-Planung von Hubertus Heil eher ablehnend gegenüber. "Wir haben noch keinen Wahltermin festgelegt, weil ja auch im Bund noch kein Termin feststeht", sagt die stellvertretende Regierungssprecherin Marlene Mühe-Martin. "Allerdings präferieren wir eher getrennte Termine. Zuerst ist aber der Bund am Zug."
Die laufende 16. Sitzungsperiode im Bundestag hat am 18. Oktober 2005 begonnen. Nach dem Gesetz kann die nächste Wahl frühestens 46 und spätestens 48 Monate nach Beginn der Wahlperiode erfolgen - sofern es nicht zu einer vorgezogenen Parlamentsauflösung kommt. Damit könnte theoretisch zwischen 19. August und 18. Oktober 2009 ein neuer Bundestag gewählt werden. In der Praxis wurde aber noch nie ein Termin während der Hauptferienzeit als Wahltag angesetzt. Im August sind vielerorts noch Sommerferien. Anfang Oktober beginnen dann in Hamburg und Bremen bereits die Herbstferien. Zudem liegt in Thüringen, Brandenburg, Sachsen und dem Saarland das verfassungsrechtlich verankerte Zeitfenster für einen Landtagswahltermin so, dass eine Zusammenlegung mit der Bundestagswahl Ende September möglich wäre.

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"Vorteile bei der Wahl"
Der Verfassungsrechtler und Parteienexperte Hans Herbert von Arnim sieht ein Problem im Festsetzungsverfahren der Landtagswahltermine. "Das Problem ist, dass die Ministerpräsidenten die Termine festlegen. Da spielen dann vornehmlich parteipolitische Gründe eine Rolle. Die Regierung, die es festlegen kann, verspricht sich daraus Vorteile bei der Wahl", so von Arnim. "Dabei ist die Chancengleichheit zwischen Regierung und Opposition ein fundamentaler Grundsatz unserer Demokratie."
Doch auch das Vorgehen der SPD sei nicht wirklich durch "Gründe des Gemeinwohls" inspiriert. "Überall scheinen Beweggründe der Machtpolitik durch." Von Arnim sagt, man solle ein neues Terminfindungsverfahren verfassungsrechtlich verankern: "Der Wahltermin soll von vorne herein durch die Verfassung vorgegeben sein." Thomas Oppermann würde ihm sicherlich zustimmen.