Koalitionskrach Die FDP und Robert Habecks Heizungsgesetz: 101-mal nicht gefragt

Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP
Eine Gruppe um Wolfgang Kubicki wollte Robert Habeck eine Liste mit offenen Fragen zum Gebäudeenergiegesetz schicken. Die Fraktion wollte das aber nicht. 
© Achille Abboud / Imago Images
Die FDP hat Robert Habeck 101 Fragen zum Heizungsgesetz geschickt. Oder doch nicht? Die Chronik einer Farce.

Zu den All-Time-Klassikern aus dem Hause Disney gehören die 101 Dalmatiner. Zu einem All-Time-Klassiker der politischen Kommunikation entwickeln sich gerade die 101 Fragen der FDP. Die Liberalen wollten Robert Habeck eine ganze Liste offener Fragen zum Gebäudeenergiegesetz schicken. Oder doch nicht? Chronik einer Farce.

Am 12. Mai berichtet die "Bild"-Zeitung über neuen Ärger bei den Liberalen über Habecks Heizungsgesetz. Die FDP-Fraktion wolle Beratungen über das Gesetz nur zustimmen, wenn Habeck zuvor einen Katalog mit 101 Fragen beantwortet.

"Ein Knallhart-Ultimatum!", urteilte "Bild".

Demnach wurden die Fragen unter anderem von Parteivize Wolfgang Kubicki und dem einstigen "Euro-Rebell" Frank Schäffler erarbeitet. Die FDP-Fraktion habe sie bereits abgesegnet. Der Fragenkatalog solle in Kürze ganz offiziell bei Robert Habeck eingereicht werden.

Das Problem an der schönen Geschichte: Sie stimmt nicht. Die Fraktionsführung hatte nie vor, 101 Fragen ans Wirtschaftsministerium zu schicken. Das zumindest bekommt zu hören, wer bei den Liberalen nachfragt.  

Die Beratung des Gesetzes verzögert sich

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai scheint das Memo leider nicht bekommen zu haben. Eine knappe Woche später spricht auch er mit der "Bild"-Zeitung. Die FDP-Fraktion habe noch rund 100 Fragen an Robert Habeck, sagt Djir-Sarai. "Solange die nicht beantwortet sind, können die Beratungen über das Gesetz gar nicht beginnen."

Einige Tage später beginnt die Sitzungswoche. Wie jeden Dienstagmorgen treffen sich die Parlamentarischen Geschäftsführer von SPD, Grünen und FDP, um über das Programm der Woche zu sprechen. Ihr Frühstück dauert etwas länger als sonst. Eigentlich sollte das Gebäudeenergiegesetz in dieser Woche in den Bundestag kommen. Doch die FDP hält den Entwurf unverändert für nicht gut genug. Die erste Lesung wird verschoben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Liegt das etwa daran, dass Robert Habeck die 101 Fragen noch nicht beantwortet hat?

Ähm, nein. Aus der Fraktionsführung der Liberalen ist weiterhin zu hören, man habe niemals vorgehabt und auch weiterhin nicht vor, eine Liste von 101 Fragen an Robert Habeck zu schicken. Aber selbstverständlich habe man weiterhin eine Reihe an Fragen.

Ist das alles etwa nur eine PR-Nummer der FDP?

Das deckt sich mit den Informationen, die ein "Zeit"-Journalist auf Anfrage von den Liberalen bekommt. Er wollte wissen, ob denn die 101 Fragen schon ans Wirtschaftsministerium geschickt worden seien. Eine Sprecherin antwortete: "Die FDP-Fraktion hat dem Bundeswirtschaftsministerium bereits einige Fragen gestellt und wird im weiteren Verlauf weitere fachliche Fragen stellen, wie bei anderen Gesetzgebungsverfahren auch."

Spätestens jetzt entsteht der Eindruck, die Liberalen gönnen sich da einen PR-Stunt. Stellen eine unglaublich hohe Zahl an Fragen in den Raum, die sie nie gestellt haben. Und verlangen eine Antwort.

"Ich hab die 100 Fragen (von denen seit 8 Tagen gesprochen wird) übrigens noch nicht gesehen. Anyone?", twittert Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden.

An FDP-Spitzenpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann scheint die Es-gibt-keine-101-Fragen-Info ihrer Fraktionsführung auch vorbeigegangen zu sein. Am Dienstagabend ist die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses in den "Tagesthemen" zugeschaltet. Es geht ausnahmsweise einmal nicht um Kampfjets oder Panzer für die Ukraine, sondern um den Koalitionsstreit und die Heizungen. Strack-Zimmermann sagt, das Gesetz könne "auf keinen Fall" vor der Sommerpause kommen, weil die FDP erst einmal Antworten auf die "über 100 Fragen" verlange.

Don’t believe your own propaganda.

Es gibt noch einen Fragenkatalog

Am Mittwochmorgen nun verbreiten Journalisten einen FDP-Fragenkatalog über Twitter. Es sind tatsächlich jene 101 Fragen, die Frank Schäffler und andere vor ein paar Wochen gesammelt haben. Fragen wie, Nummer 70: "Wie viele Mehrfamilienhäuser nutzen die oberste Etage bzw. den Dachstuhl als Mieterkeller, Heizungsraum oder Wäschetrocknungsraum?" Oder, Nummer 66: "Wie viel Platz benötigt eine durchschnittliche Wärmepumpe innerhalb sowie außerhalb eines Gebäudes?"

Es sind viele Fragen dabei, auf die auch die eigenen Energieexperten längst Antworten haben könnten.

Für alle, die zwischendurch den gelben Faden verloren haben, hier noch einmal zusammengefasst: Es kursieren 101 Fragen, die laut zwei führenden FDP-Politikern von Habeck noch nicht beantwortet wurden, die wiederum der grüne Minister aber nie zu Gesicht zu bekommen hat, was daran liegt, dass die FDP-Fraktion niemals die Absicht hatte, sie ihm zu schicken.

Man muss kein grüner Wärmepumpen-Ultra sein, um das einigermaßen absurd zu finden.

Und jetzt? Es gibt in der FDP-Fraktion noch eine andere Liste. Sie ist aktuell etwa halb so lang und wurde von den Berichterstattern zusammengestellt, die für das Gebäudeenergiegesetz zuständig sind. Dort stehen auch einige der 101 Fragen drauf. Viele andere haben es nicht durch die interne Qualitätskontrolle geschafft. Und ja, Habeck und sein Haus haben tatsächlich schon einige beantwortet. Eine Sprecherin verweist am Mittwochmittag auf die Gespräche mit den zuständigen Berichterstattern im Bundestag: "Wir stehen zur Beantwortung aller Fragen zur Verfügung." Eine Fragenobergrenze nannte sie nicht.

Die Berichterstattergespräche fanden übrigens Anfang des Monats statt. Dabei wurden Fragen aus allen Koalitionsfraktionen beantwortet, sagt eine Sprecherin des Wirtschaftsministerium dem stern: "Es waren zufälligerweise genau 102."

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