Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der CSU-Forderung nach einer kurzfristigen Mehrwertsteuer-Senkung für weitere Branchen eine klare Absage erteilt. Zugleich sprach sie sich am Freitag für Korrekturen bei der Unternehmenssteuer noch vor der Bundestagswahl aus. Bei einem Treffen in München waren sich Merkel und die Spitzen der vier großen deutschen Wirtschaftsverbände einig, im Kampf gegen die Wirtschaftskrise kein weiteres Konjunkturpaket aufzulegen. Die Verbände warnten in einer gemeinsamen Erklärung eindringlich vor zu starken Eingriffen der Politik in die Wirtschaft. Merkel lehnte eine bevorzugte Behandlung des Autobauers Opel ab.
Merkel sagte nach dem Gespräch, bei den Mehrwertsteuersätzen werde man "im aktuellen Regierungshandeln jetzt keine Veränderungen vornehmen". An eine Veränderung sei in der Großen Koalition nicht mehr gedacht. Man könne jetzt nicht "Gewerbe für Gewerbe durchgehen". Auch die Wirtschaftsverbände sprachen sich gegen einzelne rasche Mehrwertsteuer-Senkungen aus, für die sich CSU-Chef Horst Seehofer stark gemacht hatte. Auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte dafür Sympathien bekundet. Die Verbände verlangten stattdessen eine umfassende Steuerreform mit Mehrwert- und Einkommensteuer nach der Bundestagswahl im Herbst. Der "große Keil zwischen Brutto und Netto" müsse verringert werden, hieß es.
Staatliche Hilfe nur in Ausnahmefällen
Merkel kündigte auf Drängen der Verbände an, in der Großen Koalition noch vor der Wahl über kurzfristige Korrekturen bei der Unternehmenssteuer zu reden. Dies sei bislang am Widerstand der SPD gescheitert, kritisierte sie. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt beklagte die "krisenverstärkenden Elemente" der Reform. Als Beispiele nannte er die Besteuerung von Mieten, Pachten und Leasingraten.
Merkel und die Verbände waren sich einig, dass es staatliche Hilfe für Unternehmen nur in absoluten Ausnahmefällen geben dürfe. Die Kanzlerin betonte, dies werde in jedem Einzelfall genauestens geprüft. Unterstützung könne es zudem nur geben, wo es "positive Fortführungsprognosen" für das Unternehmen gebe. Mit Blick auf den Fall Opel sagte sie, generell würden bei kleinen und großen Firmen die gleichen Maßstäbe angelegt. Die Verflechtung Opels mit General Motors und anderen sei aber so kompliziert, "dass wir politisch die Verantwortung haben, hier hilfreich zu sein bei einer möglichen Entflechtung von GM und Opel oder einer Teilselbstständigkeit".
Ein drittes Konjunkturpaket wird es nicht geben
Ein drittes Konjunkturpaket lehnte Merkel - wie die Verbände - ab. Die bisherigen Maßnahmen müssten erst einmal wirken. Deshalb halte sie nichts davon, "jetzt schon wieder neue Maßnahmenpakete ins Auge zu fassen". Die Verbände kritisierten allerdings die Banken. Zinssenkungen würden nicht ausreichend an die Unternehmen weitergegeben, beklagte Hundt. Er forderte eine "Verschärfung der Regeln für den Finanzmarkt und eine entsprechende Überwachung".
Die Verbände betonten in ihrer gemeinsamen Erklärung, staatliche Hilfen für in Schwierigkeiten geratene Unternehmen führten immer zu Wettbewerbsverzerrungen. Hilfen dürfe es deshalb "nur in sehr speziell gelagerten Ausnahmefällen, nur zeitlich befristet und nur bei begründeter Aussicht auf eigenständige Existenzsicherung" geben. "In keinem Fall darf es zu staatlichen Beteiligungen an Unternehmen der Realwirtschaft und zu einem parteipolitischen Wettlauf um die spektakulärste Rettung kommen", heißt es in dem Papier. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, sagte: "Jede Hilfe des Staates für einzelne Unternehmen ist eine Wettbewerbsverzerrung. Die Frage ist, ob sie eine hinnehmbare ist."

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
"Krise wird das Jahr überdauern"
Ein Ende der Wirtschaftskrise ist nach Ansicht der Kanzlerin und der vier Verbände noch nicht in Sicht. "Diese Krise wird dieses Jahr und auch darüber hinaus anhalten", sagte Merkel. Hundt erklärte, von einer positiven Entwicklung nach oben sei man noch weit entfernt. Er warnte aber davor, sich nun in negativen Prognosen zu überbieten.
An dem traditionellen Spitzentreffen am Rande der Handwerksmesse in München nahmen neben Merkel, Hundt und Keitel auch Handwerkspräsident Otto Kentzler sowie der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, teil.