Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) strebt bei der Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff eine Einigung mit der Opposition an. Merkel kündigte am Freitag in Berlin an, zunächst würden sich nun die Koalitionsparteien CDU, CSU und FDP beraten. Anschließend würden diese "unmittelbar" auf SPD und Grüne zugehen. Die Linkspartei erwähnte sie nicht. In der Bundesversammlung hat Schwarz-Gelb nur noch eine knappe Mehrheit.
"Wir wollen Gespräche führen mit dem Ziel, in dieser Situation einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland vorschlagen zu können", sagte Merkel. Nach Angaben aus Koalitionskreisen ist ein Treffen der Parteispitzen von CDU, CSU und FDP für Samstag geplant.
Übergangsweise nimmt nun der amtierende Bundesratspräsident, Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU), die Aufgaben des Staatsoberhauptes wahr. "Niemand hat sich diesen bedauerlichen Gang der Dinge gewünscht", sagte Seehofer. Mit seiner Entscheidung rücke Wulff aber die Würde und Bedeutung des Amtes an die erste Stelle.
Die Kanzlerin bedauerte zudem den Rücktritt Wulffs und würdigte die von ihm in seiner Amtszeit gesetzten Impulse für ein modernes und offenes Deutschland. Zuvor hatte Wulff nach knapp 20 Monaten im Amt seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben. Er habe nicht mehr das nötige Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bevölkerung, sagte er zur Begründung. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Vorabend beim Bundestag die Aufhebung der Immunität Wulffs beantragt, um ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Vorteilsannahme einleiten zu können. Es geht dabei um Wulffs Beziehungen zu dem Filmproduzenten David Groenewold.
Opposition zeigt sich erleichtert
Als aussichtsreiche Nachfolger werden in der Union unter anderem Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (alle CDU) gehandelt. Im Gespräch sind auch der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der 2010 als rot-grüner Kandidat gegen Wulff unterlegen war, und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.
Die Reaktionen der Opposition auf den Rücktritt des Bundespräsidenten sind derweil durchgehend positiv. SPD-Generalsekretärin zeigt sich erleichtert und nannte diesen Schritt "notwendig und längst überfällig". Die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin bezeichneten den Rücktritt als "unausweichlich" und sagten, Wulff habe damit "das Land von quälenden Debatten erlöst". Sowohl Nahles als auch Künast und Trittin begrüßten Merkels Angebot für eine gemeinsame Suche nach einem Wulff-Nachfolger.
Die Parteispitze der Linken, Gesine Lötzsch, Klaus Ernst und Gregor Gysi, mahnte eine Aufklärung der Verquickung zwischen Wirtschaft und Politik an. Wulffs Rücktritt sei notwendig gewesen, aber spät gekommen.