Zwischenruf Verzicht - oder Krieg

Auch wenn alle über ihn herfallen: Philipp Mißfelder hat Recht. Die Zeit ist reif für die Rebellion der Jungen gegen die schamlose Ausbeutung ihrer Generation. Aus Nr. 34/2003

Wer führt hier eigentlich Krieg gegen wen? Die Jungen gegen die Alten? Die Unverschämtheit dieser Anklage wird nur noch durch ihre Dummheit übertroffen. Schon das herablassende Angebot, einen Ombudsmann für die Jungen einzusetzen, offenbart, wie die Macht in dieser Gesellschaft wirklich verteilt ist. Einen Ombudsmann gönnt die überwältigende Mehrheit einer erbarmungswürdigen Minderheit, deren Interessen von den etablierten Instanzen ignoriert werden, die mithin gnadenlos überrollt zu werden droht.

Nein, Deutschland, die sklerotisch erstarrte Nation mit ihrer Zeitlupenökonomie, ihren Schuldenexzessen und ihren bis zum Kollaps ausgebeuteten Sozialsystemen, wird nur von einer Gruppe beherrscht: den Alten und ihren von vielfältigen Tabus geschützten Interessen. Mag sein, dass ein Krieg der Generationen daraus erwachsen würde, entschlössen sich die Jungen endlich zur Rebellion. Aber nicht sie trügen dafür die Verantwortung. Es wäre der Krieg der Alten. Und sie rüsten ja schon, mit dem Vokabular des Hasses, der Ausgrenzung, der Vernichtung.

Das Wörterbuch der Unterwerfung

Philipp Mißfelder, der den Mut aufgebracht hat, das Schweigegebot zum Schutz der herrschsüchtigen Alten zu brechen, wird seither das Wörterbuch der Unterwerfung und Verächtlichmachung um den Kopf geschlagen. "Milchbubi" pflegt "Bild" den Vorsitzenden der Jungen Union zu titulieren, "Krücken-Mißfelder" nennen ihn andere Boulevard-Scharfrichter, die Gesichter im Staub vor den rasenden Alten in ihrer Leserschaft. Politisches Berufsverbot auf Lebenszeit ist noch das Harmloseste, was deren Rachefantasien entschlüpft. Wir haben dieses Land nach dem Krieg wieder aufgebaut, werfen sie sich in die Brust. Und denken: Also haben wir Anspruch auf die volle Ernte. Aber wer, ihr Hitlerjungen und Russlandfahrer, hat es vorher in Schutt und Asche gelegt?

Und die Altersgenossen der konkurrierenden Jugendorganisationen gefallen sich in erbärmlichem Generationenverrat: Ausgerechnet "populistisch" nennt die Grüne Jugend Mißfelders halsbrecherische Provokation; ihm sei wohl die Hitze nicht bekommen, höhnt ein junger Liberaler; von "menschenverachtenden" Umtrieben schwätzen die frühvergreisten Jusos.

Die Alten rüsten mit dem Vokabular des Hasses und der Vernichtung

Wenn alle so über einen herfallen, kann der nur Recht haben. Und Mißfelder hat Recht, sogar mit seinem anstößigsten Satz, er halte nichts davon, "wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen". Wenn den Jungen zugemutet wird, Zahnersatz und Krankengeld selbst zu versichern, warum kann dann besser gestellten Alten nicht abverlangt werden, ebenso private Versicherungen für solch exorbitant teure Operationen abzuschließen? Weil die Alten zu arm sind? Bullshit.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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In sehr guten Verhältnissen

Erstens trägt der Staat, und das heißt: der junge Steuerzahler, die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge der Rentner. Zweitens ist das mit Hingabe gepflegte Klischee der zahnlos Tütensuppen schlürfenden Kriegerwitwe von der Wirklichkeit widerlegt. Gerade hat eine Umfrage des Düsseldorfer Familienministeriums bei mehr als 5000 Haushalten aufgedeckt: Über 80 Prozent der 55- bis 80-Jährigen leben in finanziell guten bis sehr guten Verhältnissen. Sie verfügen im Schnitt über ein Nettoeinkommen von 2550 Euro im Monat, knapp 1500 Euro haben sie zur freien Verfügung. 87 Prozent der Seniorenhaushalte besitzen zudem Bar-, 62 Prozent Immobilienvermögen. Die über 60-Jährigen sitzen auf einem Netto-Vermögen von zwei Billionen Euro.

Den Jungen dagegen sind 1,3 Billionen Euro Staatsschulden, ein marodes Bildungssystem, Lehrstellenmangel, Kinder als größtes Armutsrisiko, steigende Lasten für Rente und Gesundheit und ein Kündigungsschutzrecht aufgebürdet, das sie bei Entlassungen in der Firma als Erste an die Luft setzt. Die Pflegeversicherung, die sie heute finanzieren, werden sie selbst mit Sicherheit nicht mehr genießen. Verteidigt wird das alles von den größten Nutznießern dieser Zustände: ergrauten Politikern. Wollte ein Junger die Altersversorgung Hans Eichels erreichen, hätte er in der Renaissance beginnen müssen, Beiträge einzuzahlen.

Ein Generationenaufstand dagegen ist so überfällig wie gerecht. Der Anfang wäre gemacht, wenn junge Abgeordnete aller Fraktionen die Traute hätten, neue Staatsschulden, wuchernde Sozialbeiträge und ad infinitum steigende Renten geschlossen zu blockieren. Betongraue Mehrheiten kämen ins Tanzen. Die Alten haben zu lernen - und zu wählen: Verzicht oder Krieg. Danke, Philipp Mißfelder!

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Hans-Ulrich Jörges