Besatzung Jedem Sieger seine Zone

Die Besatzer wollen den Deutschen das Kriegführen unmöglich machen und eigene Schäden durch Demontagen ausgleichen. Zudem muss das Land wieder aufgebaut werden - um es für die eigene Machtpolitik nutzen zu können.

Die Deutschen sollten bestraft werden. Zweimal hatte dieses Volk innerhalb von gut 20 Jahren seinen schlechten Eigenschaften freien Lauf gelassen, hatte mit seinem "Griff nach der Weltmacht" zwei Weltkriege angezettelt, Not und Terror vor allem über Europa gebracht. Aus Sicht der Alliierten schien Aggressivität ein Wesensmerkmal deutscher Politik zu sein, und es wurde Zeit, dieses Volk umzuerziehen.

Während amerikanische, britische und russische Panzer durch Nazi-Deutschland rollten, entwickelten die Alliierten ganz unterschiedliche Pläne, was mit den Besiegten passieren sollte. Nur eins war klar: Den Deutschen sollte die Möglichkeit genommen werden, jemals wieder Unheil über die Welt zu bringen.

Der konservative US-Finanzminister Henry Morgenthau schlug deshalb vor, Deutschland in einen Agrarstaat zu verwandeln. Frankreich, erst im letzten Moment in den Kreis der Siegermächte aufgenommen, wollte die Abtrennung des Saarlandes. Die Sowjetunion war vor allem auf Reparationen und Fabriken aus dem Ruhrgebiet aus, um ihre gewaltigen Kriegsschäden auszugleichen.

Als die "großen Drei",

die Staatschefs der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion, sich am 17. Juli 1945 zur Konferenz im Schloss Cecilienhof in Potsdam treffen, bröckelt die Anti-Deutschland-Allianz bereits, begegnen die Sieger einander mit Argwohn. Stalin, Truman und Churchill stoßen zwar noch mit Champagner an, lassen Fisch, Huhn, Wild, Ente, Kaviar und Wassermelonen auffahren, doch ihre Vorstellungen gehen immer weiter auseinander. Die USA haben sich längst von der Idee verabschiedet, Deutschland in einen Scherbenhaufen aus lauter Kleinstaaten zu zerschlagen. Stattdessen will man das Nazi-Volk erziehen und das Land wieder aufbauen. Weil sie sich nicht über einheitliche Reparationsleistungen einigen können, schließen die Alliierten einen faulen Kompromiss: Jeder darf sich in seiner Besatzungszone bedienen.

Für die deutschen Arbeiter waren die Demontagen verheerend, weil damit auch ihre Arbeitsplätze zerstört wurden. In Salzgitter zum Beispiel standen seit Mai 1945 die "Reichswerke Hermann Göring" still. Als die Briten sich anschickten, das Walzwerk II abzubauen und die Kokerei zu sprengen, stürmten die ehemaligen Arbeiter das Gelände, rissen Zündschnüre heraus, schlugen mit Eisenstangen auf das Bohrgerät ein und zerstörten es mit einem Schweißgerät. Die britischen Soldaten griffen nicht ein, sie hatten sogar Verständnis für den Widerstand. Die Auseinandersetzung zog sich noch über Wochen hin. Am Ende gelang es den Kumpel, die Hütte in Salzgitter zu erhalten.

Die US-Besatzer verhielten sich bei den Demontagen am gemäßigtsten - und am klügsten. General Lucius Clay erkannte, dass ein am Boden liegendes Deutschland nur auf US-Hilfe angewiesen wäre. Deshalb begrenzte Clay weitreichende Demontagen, auch wenn amerikanische Textilproduzenten oder Uhrenhersteller danach trachteten, ihre deutschen Konkurrenten loszuwerden. So hatten die Amerikaner bald das beste Ansehen unter den Besatzern. Ihre Soldaten kamen zwar als Sieger, führten sich aber zumeist nicht als Unterdrücker auf. Vor allem Jugendliche waren fasziniert von der Lockerheit der US-Truppen, die großzügig Kaugummi und Zigaretten verschenkten. Die ältere Generation war skeptischer, weil ihrer Ansicht nach mit den Amerikanern auch der angeblich materialistische Zeitgeist kam, sie sahen die Autorität von Eltern, Lehrern und Obrigkeit schwinden.

Das Hauptinteresse der US-Regierung galt bald schon weniger den Deutschen als der Sowjetunion. Stalin schien im Begriff, dem sowjetischen Imperium alles einzuverleiben, was zwischen Polen und Bulgarien lag. In dem sich abzeichnenden Konflikt zwischen den Weltmächten wuchs bei den Amerikanern das Interesse, Deutschland langfristig als Partner zu gewinnen. Im September 1946 kam US-Außenminister James F. Byrnes nach Stuttgart und verkündete den Beginn normaler Beziehungen: "Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurückzufinden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedlichen Nationen der Welt."

Eine ähnliche Politik

wie die Amerikaner verfolgten die Briten: Sie wollten die deutsche Wirtschaft wieder ankurbeln, damit das Land aus eigener Kraft seine Lebensmittelimporte bezahlen konnte. Als sich Amerikaner und Briten am 1. Januar 1947 zur Bizone zusammenschlossen, war die Entwicklung eines westlich orientierten Kerndeutschlands vorgezeichnet. Ablehnend reagierten zunächst die Franzosen. Sie mussten sich von Beginn an mit einem amputierten Besatzungsgebiet zufrieden geben (Württemberg ohne Stuttgart, Baden ohne Karlsruhe, Rheinland ohne Köln) und waren verärgert, dass Amerikaner und Briten ihnen die Abtrennung des Ruhrgebiets verweigerten. Die französische Regierung glaubte, nur mit den Ressourcen des Ruhrgebiets selbst wieder Großmacht werden und sich vor den Deutschen schützen zu können. Die Franzosen waren eine ziemlich unbeliebte Besatzungsmacht. Der Politologe Theodor Eschenburg nannte ihre Zone eine "Ausbeutungskolonie".

Während in der US-Zone auf 1000 Einwohner drei Besatzer kamen, waren es in der französischen Zone 18. Vergewaltigungen waren keine Seltenheit, die Hungersnot war in der französischen Zone besonders schlimm. In der sowjetischen Zone wurden 1945 alle Großbauern mit einem Besitz von mehr als 100 Hektar enteignet. Unter der Parole "Junkerland in Bauernhand" kamen 35 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in die Hände von 560 000 Bewerbern. Die Lebensmittelversorgung wurde dadurch kurzfristig noch schlechter. Die Sowjetunion selbst hatte im Zweiten Weltkrieg die größten Schäden erlitten und versuchte nach 1945, das durch überstürzte Demontagen in ihrer Zone auszugleichen: Rohstoffe wurden beschlagnahmt, Fahrzeuge, Vieh und Lebensmittel abtransportiert, Schienen, Hafenanlagen und Maschinen außer Landes geschafft. Erst 1947 dachten auch die Sowjets um und begannen, Güter aus der laufenden Produktion zu entnehmen und die Anlagen zu schonen. Die Gegensätze zwischen der Sowjetführung und den Westalliierten wuchsen ständig. Spätestens am 20. Juni 1948, als in den Westzonen die D-Mark eingeführt wurde, war klar, dass sich Deutschland in zwei Hälften teilt.

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Markus Grill