Stern-Chefredakteur Ist die Karriere von Elon Musk womöglich nur die Rache eines Nerds? Gregor Peter Schmitz über den aktuellen stern-Titel

Stern Chefredakteur Gregor Peter Schmitz
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© Daniela Kreisl/Stern
Chefredakteur Gregor Peter Schmitz wirft einen Blick in das neue stern-Magazin – und fragt sich angesichts einer neuen Biografie, welche Dämonen der genial-gefährliche Visionär Elon Musk seit seiner Kindheit mit sich rumschleppt.

Wer Walter Isaacson als einen gewöhnlichen Biografie-Schreiber bezeichnet, könnte auch Lionel Messi einen Ballsportler nennen. Der Amerikaner Isaacson hat die Kunst perfektioniert, in einem Buch einen Menschen, den alle zu kennen scheinen, so zu beschreiben, dass es ein ganz neues Kennenlernen wird – etwa mit seinem legendären Werk über den großartigen Apple-Gründer und Innovator und weniger großartigen Menschen Steve Jobs.

Auch Elon Musk, aktuell reichster Mensch der Erde, hat viele Facetten. Daher war es ein Paukenschlag, als Isaacson vor einiger Zeit verkündete, ein Buch über Musk zu verfassen. Er durfte ihn begleiten, er durfte immer wieder mit ihm reden, seine Freunde und seine Feinde sprechen, er konnte private Fotoalben einsehen. Aber eines durfte Musk umgekehrt nicht: bestimmen, was Isaacson über ihn schreibt.

Nun erscheint das Buch bei C. Bertelsmann, das wie der stern zu Bertelsmann gehört, und wir veröffentlichen die ersten Auszüge exklusiv für den deutschsprachigen Markt. Darin beschreibt Isaacson etwa, wie Musks Kindheit in Südafrika verlief, wie das Verhältnis zu seinem nicht minder exzentrischen Vater war – und welche Dämonen er wohl seit frühester Jugend mit sich herumschleppt. Ein weiteres Kapitel zeigt, wie kleinlich Fehden in der Welt der Ultrareichen ablaufen, etwa zwischen Musk und Microsoft-Gründer Bill Gates.

Es wird spannend, wie Musk Isaacsons Bewertungen auf dem Kurznachrichtendienst X, früher Twitter, den er gekauft hat, kommentiert. Aus einem ersten Auszug im "Wall Street Journal" wissen wir, dass der Milliardär diesen wie eine Fortsetzung des Schulhofes von einst sieht – nur dass diesmal die schlauen Kinder (Musk!) als die Coolen dastehen, statt wie früher verkloppt zu werden. Ist also die ganze Musk-Karriere eigentlich die Rache eines Nerds?

Söders Ringen um Machterhalt

Als Markus Söder sein Urteil über Hubert Aiwanger verkündete, trat er nicht auf wie ein Politiker, nicht wie ein CSU-Chef und schon gar nicht wie ein Wahlkämpfer, der in wenigen Wochen seinen Posten als bayerischer Ministerpräsident verteidigen muss. Nein, er trat auf wie ein weiser Richter, der Maß und Mitte suchte und der vor allem fair sein wollte. Er müsse Bayern zusammenhalten, sprach Söder und deklarierte später seine Entscheidung sogar noch als Dienst an der deutschen Erinnerungskultur.

"Der gewiefte Bierzelt-Politiker Markus Söder hat schlichtweg vor dem Bierzelt kapituliert"

Söder hat schon viele dreiste Auftritte absolviert, dieser jedoch war wohl der dreisteste. Denn in Wahrheit hat der gewiefte Bierzelt-Politiker Markus Söder schlichtweg vor dem Bierzelt kapituliert. Dort hatte Aiwanger sich in den Tagen zuvor keineswegs als reuiger Täter präsentiert, sondern (unter Jubel) als Opfer einer Kampagne. Söder musste feststellen: Die Freien Wähler, berauscht vom Bierzelt-Aufschwung, dachten gar nicht daran, sich von ihrem Vorsitzenden zu distanzieren. Und in Söders CSU fanden viele die Enthüllung gar nicht so schlimm. Also entschied sich Söder pragmatisch für die beste Chance auf den Machterhalt, wie ihn seine Partei von ihm erwartet. Allerdings kettet er sich somit an Aiwanger, der nicht nur Söders "25 Fragen" fast vorsätzlich schlampig beantwortete, sondern gleich nach Söders "Freispruch" wieder von einer Kampagne wetterte – übrigens assistiert von Söder, der sich ebenfalls in Seitenhieben gegen die Medien erging.

Aiwanger hatte zuvor gar gesagt, die Schoah werde aus parteipolitischen Gründen gegen ihn instrumentalisiert. Wohlgemerkt, den Satz hat nicht ein 17 Jahre alter Schüler gesagt, sondern ein 52 Jahre alter Vize-Ministerpräsident. Aiwanger komme mit einem braunen Auge davon, schrieb die "Taz". Ein Schatten davon liegt auch auf Markus Söder.

Erschienen in stern 37/2023