Auf den ersten Blick wirken die Plakate täuschend echt und ähneln einer typischen Plakatkampagne der Grünen im Bundestagswahlkampf. Bei näherem Hinsehen wird allerdings klar, dass sich deren Spitzenkandidatin Annalena Baerbock und ihre Parteikolleg:innen ganz sicher nicht über die breit ausgerollte Werbeaktion freuen dürften.
In mehr als 50 deutschen Großstädten hängen seit einigen Tagen Plakate, welche den Grünen unter anderem "Wohlstandsvernichtung", "Klimasozialismus" oder "Ökoterror" vorwerfen. Es ist bereits die zweite groß angelegte Anti-Grünen-Kampagne einer vorgeblich unabhängigen Lobbyorganisation innerhalb kürzester Zeit. Die Partei will sich nun wehren und erhält Unterstützung von den Konkurrenten SPD und CDU.
Grüne wollen sich gegen Schmutzkampagne wehren
Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sprach von einer "rechten Schmutzkampagne AfD-naher Akteure mit dubioser Finanzierung". In einer Email an Unterstützer der Partei schrieb er, dass man rechtlich nicht gegen die Kampagne vorgehen könnte. Allerdings sei die Angst der Rechten spürbar und man lasse sich keinen Millimeter zurückdrängen. Kellner plädierte dafür nun doppelt so hart kämpfen, doppelt so viele Plakate aufhängen und an doppelt so vielen Türen klopfen zu wollen. "Keine Fake News Kampagne, keine gefälschten Zitate oder Bilder, keine rechte Desinformation, kein noch so schmutziger Wahlkampf wird uns aufhalten".
Vor zwei Monaten hatte bereits eine Anzeigenkampagne der Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft für Aufsehen gesorgt. Als Mose verkleidet wurde Annalena Baerbock vorgeworfen, die Bevölkerung mit diversen verboten gängeln zu wollen. Die Anzeige erschien in vielen verschiedenen deutschen Tages- und Wochenzeitungen.
Hinter "Grüner Mist" steckt ein Hamburger Unternehmen
Die neue Kampagne, hinter der die Hamburger Firma "Conservare Communications GmbH" steckt, wird von Ex-CSU-Mitglied David Bendels geführt. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur bestätigte Bendels, dass die Kampagne darauf ausgelegt sei, aufzuzeigen welch "massive Gefahr für Deutschland" von der Partei ausgehen würde.
Auch wenn Bendels angibt parteilos zu sein, pflegt er enge Kontakte zu einigen hochrangigen AfD-Politker:innen. So posierte er für seine Facebook-Seite bereits mit Alice Weidel und Björn Höcke. Zudem ist er neben seiner Tätigkeit bei der "Conservare Communications GmbH" auch Vorsitzender des "Vereines zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten", welcher in der Vergangenheit immer wieder dazu aufrief, die AfD zu wählen. Darüber hinaus bot der Verein der AfD kostenlose Ausgaben der rechtskonservativen Zeitung "Deutschland-Kurier" an, was den Verdacht heimlicher Wahlkampffinanzierung nach sich zog.
AfD dementiert Absprachen
Trotz der Nähe zu Bendels Organisationen und der Deckungsgleichheit vieler Forderungen zur "Grüner Mist"-Kampagne, weist die AfD jegliche Vorwürfe einer Absprache von sich. Gegenüber des ARD-Hauptstadtstudios beteuerte ein Sprecher, dass von Seiten der AfD weder "irgendeine Abstimmung noch eine Beauftragung" für die Negativ-Kampagne stattgefunden hätte.

Auch David Bendels versichert im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, dass die AfD in keiner Weise in die Planung oder Durchführung involviert gewesen ist. Zu den immensen Kosten, welche durch die vielen Plakate, den Internetauftritt, Anzeigen in den sozialen Netzwerken und das Kampagnenvideo anfallen, äußerte sich der Unternehmer nicht.
Neben Bendels und der AfD muss sich auch das Medienunternehmen "Ströer" aufbrausende Kritik stellen. Für die Plakataktion werden zu großen Teilen Werbeträger des Kölner Unternehmens genutzt. Ströer würde viele Werbeplätze im öffentlichen Raum betreuen und sei nicht für die Inhalte und Gestaltung der Werbung verantwortlich, so eine Sprecher:in des Unternehmens. Man könne keine Werbung verbieten, welche nicht gegen Gesetze oder freiwillige Selbstbeschränkungen verstoße. Gegenüber der Tagesschau räumte das Unternehmen allerdings ein, mehrere Motive der Kampagne abgelehnt zu haben, welche nicht rechtskonform gewesen seien.
Überparteiliche Unterstützung auf Twitter
In den sozialen Netzwerken löste die Negativ-Kampagne ein gemischtes Echo aus. Während sich einige Parteifreunde der AfD, wie der Berliner Abgeordnete Harald Laatsch, über die aufsehenerregende Aktion freuten, versammelten sich auch diverse namenhafte Gegner:innen von "Grüner Mist" im Kurznachrichtendienst Twitter.
Insbesondere Poltiker:innen der SPD wehrten sich gegen die in ihren Augen geschmacklose Form des Wahlkampfes. So schrieb Lars Klingbeil, Generalsekretär der Sozialdemokraten: "#GrünerMist ist #Rechtermüll. Demokraten halten zusammen." Unter dem Posting steht eine Bildtafel mit den Worten "In den Farben getrennt, in der Sache vereint gegen Rechts." Auch Parteivorsitzende Saskia Esken und der SPD Europaparlaments-Abgeordnete Tiemo Wölken sprachen den Grünen ihre Solidarität aus.
Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schloss sich der Kritik an der Schmähaktion an. "Zu fairem Wahlkampf gehört es, auch das Wort zu ergreifen, wenn es nicht gegen die eigene Partei geht: Der Dreck, der aktuell von AfD- und NPD-nahen Kreisen über die Grünen ausgegossen wird & mit einer Plakatkampagne befeuert wird, ist widerwärtig. Volle Solidarität @MiKellner", schrieb Ziemiak an den Grünen-Bundesgeschäftsführer gerichtet.
Quellen: DPA, Tagesschau.de