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Podcast "heute wichtig" Das zerrissene Land: Israels Demokratie steht auf der Kippe

Trauernde auf einer Beerdigung der jüngsten Anschlagsopfer in Israel
Trauernde auf einer Beerdigung der jüngsten Anschlagsopfer in Israel
© Ilia Yefimovich / DPA
"Israel war schon immer ein Pulverfass", sagt die Nahost-Korrespondentin Raschel Blufarb. Durch das Land rollt eine neue Welle der Gewalt mit Attentaten und tödlichen Razzien, gleichzeitig protestieren Hunderttausende Israelis gegen Netanjahus rechte Regierung.

“Die Gesellschaft in Israel ist tief gespalten”, sagt Israel-Korrespondentin Raschel Blufarb in der 455. Folge “heute wichtig”. Das zeige sich alleine schon daran, dass es fünf Wahlen gebraucht hat, bis überhaupt eine Regierung zustande gekommen ist. Und diese Regierung um Premierminister Benjamin Netanjahu ist gefährlich weit nach rechts gerückt.

Der neue israelische Justizminister Jariv Levin hat Anfang Januar die Pläne für eine Justizreform vorgestellt. Danach soll das Parlament das Recht bekommen, Entscheidungen des Obersten Gerichts zu überstimmen. Damit könnte eine Regierungsmehrheit Gesetze beschließen, die das Gericht als verfassungswidrig abgelehnt hat. “Wenn das tatsächlich kommt, reicht eine einfache Mehrheit in der Knesset, um ein Gesetz zu erlassen”, sagt Raschel Blufarb im Podcast.

Hunderttausende protestieren gegen die Justizreform in Israel

“Ich halte diese Justizreform durchaus für besorgniserregend. Viele sehen darin ein Ende der Demokratie.” Das sind berechtigte Ängste – findet Raschel Blufarb. “Ich sehe das nur nicht morgen passieren”, sagt die Korrespondentin.  Hunderttausende gehen seit Wochen auf die Straße – gegen die Aushebelung der Gewaltenteilung. Das macht Hoffnung, dass zumindest diese Reform nicht kommen wird.  Denn diese Proteste kommen laut Raschel Blufarb aus der Mitte der Gesellschaft. Aber in der israelischen Gesellschaft spüre man einen tiefen Graben: “Viele stehen hinter der Regierung. Es gibt aber auch Mitte und Linke, die diese Regierung – und vor allem die extrem rechten und religiösen Kräfte – nicht wollen.”

Das Pulverfass Israel: “Eine explosive Gemengelage ohne politische Lösung”

“Israel ist eine Demokratie”, sagt Raschel Blufarb, aber der Versuch des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion, die verschiedenen Ideologien, Strömungen und Gegensätze machten Israel zu einem Pulverfass. Erst am vergangenen Wochenende eskalierte eine neue Welle der Gewalt. Bei zwei Anschlägen von Palästinensern in Jerusalem kamen mehrere Menschen ums Leben. Nur einen Tag zuvor sind in einem palästinensischen Flüchtlingslager im besetzten Westjordanland neun Palästinenser:innen von der israelischen Armee getötet worden.

"Das ist eine sehr explosive Gemengelage ohne eine politische Lösung”, sagt Raschel Blufarb im Gespräch mit “heute wichtig”-Host Michel Abdollahi. Und die Zwei-Staaten-Lösung sei in “verrückt weite Ferne” gerückt. “Was in der jetzigen Lage ganz wichtig ist, ist eine Deeskalation. Und unter dieser Regierung sieht es im Moment nicht danach aus”, sagt die Israel-Korrespondentin. “Das war eine Welle der Gewalt. Und die nächste kommt sicher.” Die Frage ist, wie sehr sich Netanjahu von diesen rechten Kräften lenken lassen wird, glaubt Blufarb, und ob eine politische Annäherung weitere Gewalt verhindern wird.

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