"heute wichtig" Es ist nicht nur Putins Krieg: "Die meisten Menschen in Russland sind für diese 'Spezialoperation'"

Wladimir Putin beim Händeschütteln
Wladimir Putin beim Händeschütteln. Viele Menschen in Russland schenken der Kreml-Propaganda Gehör
© Mikhail Metzel / Pool Sputnik Kremlin / AP / DPA
Bei "heute wichtig" beantwortet stern-Reporterin und Russland-Expertin Bettina Sengling die Fragen der Hörer:innen zum Krieg in der Ukraine: über die angebliche "Entnazifizierung", die erfolgreiche Propaganda in Russland und über den Ruf des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. 

Es ist Tag 97 des Krieges in der Ukraine, von "Putins Krieg", wie viele lange sagten. Dabei erlebt stern-Reporterin Bettina Sengling auf ihren Reisen in Russland sehr wohl, dass es eben nicht nur "Putins Krieg" ist. In der 285. Folge von "heute wichtig" berichtet sie von der erfolgreichen Propaganda-Offensive in Teilen der russischen Bevölkerung: "Ich habe zig mal gehört, dass Amerika Russland erobern und schwächen will, Scholz wolle Russland vernichten, die Amerikaner wollten eine präventive Atombombe auf Russland werfen … Solche Dinge kommen in den russischen Medien vor und bringen die eigenen Leute auf Linie." Auch Umfragen zeigen, dass der Präsident mit seiner "Spezialoperation" durchaus einen gewissen Rückhalt hat. 

Widerstände gibt es zwar. Doch sich insbesondere öffentlich gegen den Krieg auszusprechen, macht Putin seinem Volk immer schwerer, schildert Bettina Sengling: "Es ist in Russland nicht einmal mehr möglich, mit einem Plakat auf die Straße zu gehen, auf dem ‘kein Krieg' steht. Selbst Leute mit leeren Plakaten wurden schon festgenommen oder Menschen, die nur so getan haben, als hätten sie ein Plakat in der Hand." Das habe eine abschreckende Wirkung und hält Menschen effizient von einem Protest ab, aber auch davon, aktiv etwas gegen Putin zu unternehmen: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Putin von seinen eigenen Leuten abgesetzt, umgebracht oder umgestimmt wird, ist wirklich sehr gering. [...] Die meisten der politischen Herrscher in der sowjetischen Geschichte haben bis zu ihrem Tod regiert und offensichtlich droht uns das jetzt mit Putin auch."

"Nichts ist dran an Putins Vorwurf, die Ukraine habe keine eigene Kultur"

Hörer:innen konnten im Vorfeld Fragen an heutewichtig@stern.de schicken, die in der heutigen Folge mit der Journalistin und Russland-Expertin beantwortet werden. Mehrfach erreichte die Redaktion die Frage nach der Begründung Putins für den Einmarsch in die Ukraine, der angeblichen Entnazifizierung. Das sei in erster Linie ein Vorwand, berichtet Bettina Sengling. Ebenso die vermeintlich fehlende Kultur der Ukraine: "Nichts ist dran an Putins Vorwurf, die Ukraine habe keine eigene Kultur. Das ist eine extrem chauvinistische und provokante Äußerung von Putin. Ich denke und nehme an, dass Putin selbst weiß, dass das nicht stimmt." Beispielsweise wird in vielen Teilen der Ukraine zwar russisch gesprochen, doch die offizielle Landes- und Amtssprache ist Ukrainisch. Zudem habe insbesondere seit 2014 in der Ukraine eine Demokratisierung stattgefunden, viele Menschen tendierten gen Westen: "Es klingt für uns banal, dass durch Wahlen ein Machtwechsel stattfindet. Es ist aber gerade im postsowjetischen Raum etwas Besonderes und eine große Ausnahme. […] In Russland ist der Gedanke an freie Wahlen völlig undenkbar." 

Michel Abdollahi
Host Michel Abdollahi

Podcast "heute wichtig"

Klar, meinungsstark, auf die 12: "heute wichtig" ist nicht nur ein Nachrichten-Podcast. Wir setzen Themen und stoßen Debatten an – mit Haltung und auch mal unbequem. Dafür sprechen Host Michel Abdollahi und sein Team aus stern- und RTL-Reporter:innen mit den spannendsten Menschen aus Politik, Gesellschaft und Unterhaltung. Sie lassen alle Stimmen zu Wort kommen, die leisen und die lauten. Wer "heute wichtig" hört, startet informiert in den Tag und kann fundiert mitreden.

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mkb / les