Kein Thema mehr? Nur noch Bush im Irak und Schröder im Keller? Simone Rafael sagt: "Viele wissen nicht, dass Rechtsextremismus noch immer ein Problem ist. Wenn ich Freunden erzähle, woran ich arbeite, sagen viele: "Oh, das klingt interessant, aber passiert da überhaupt noch was?"" Und ob. Nach der neuesten Statistik des Bundesinnenministeriums stieg die Zahl der registrierten rechtsextremistischen Straftaten im vergangenen Jahr um acht Prozent, während die politische Kriminalität insgesamt abnahm. 2002 gab es neun versuchte Tötungsdelikte, die eindeutig von Rechten begangen wurden. Im Jahr davor waren es zehn. Kein Thema mehr?
Im Auftrag der stern-Aktion "Mut gegen rechte Gewalt" hat Simone Rafael, Absolventin der Hamburger Henri-Nannen-Schule, eine Internetseite erstellt, die in dieser Woche in Berlin vorgestellt wurde. Ab sofort soll www.mut-gegen-rechte-gewalt.de im Netz informieren und zu Toleranz und Engagement ermuntern. "Eine gute Initiative, die die Zivilgesellschaft stärkt", sagt Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD).
"Mit der Webseite wollen wir mutige Menschen und gelungene Projekte vorstellen", erklärt Rafael. Im Unterschied zu anderen Seiten gegen Rechts werde das Thema nicht aus der Perspektive von Antifa-Gruppen und Wissenschaftlern betrachtet, sondern journalistisch angepackt. Für die Hintergründe nutzt sie das Know-how der Amadeu Antonio Stiftung, mit der der stern eng zusammenarbeitet. Seriös, umfassend und immer aktuell will die 29-Jährige www.mut-gegen-rechte-gewalt.de gestalten - eine bislang einmalige Internetzeitschrift für Zivilcourage.
Neu im Netz
Die neue Internet-Plattform www.mut-gegen-rechte-gewalt.de wurde mit freundlicher Unterstützung von der Agentur Gallun.Holtappels realisiert. Maßgeblich unterstützt wird das Projekt durch die SAP AG. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Renate Schmidt, unter deren Federführung das Aktionsprogramm der Bundesregierung "Jugend für Toleranz und Demokratie" läuft, begrüßt die Internet-Plattform des stern als "gute Initiative, um die Zivilgesellschaft zu stärken".
Die Idee überzeugte auch den Softwarekonzern SAP, der die Webseite maßgeblich unterstützt: "Die fast 30 000 Mitarbeiter der SAP aus mehr als 100 Nationen spiegeln die Vielfalt unserer Welt wider", sagt Vorstandssprecher Henning Kagermann. "Ein aufgeschlossenes Miteinander ist daher nicht nur eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch für die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen."
Wie schwierig dieses Miteinander sein kann, zeigt ein Projekt, das im Netz vorgestellt wird. Die Exit-Elterninitiative betreut Väter und Mütter, deren Kinder Neonazis sind. "Rechtsextremismus war für mich immer ganz weit weg. Bis mein Sohn behauptete, für die Juden sei es in den Konzentrationslagern gar nicht so schlimm gewesen", erzählt eine Mutter. Vollkommen hilflos und isoliert habe sie sich gefühlt. In der Initiative, die aus dem vom stern geförderten Exit-Aussteigerprogramm hervorging, lernte sie andere Mütter kennen und erfuhr, dass sie kein Einzelfall ist. "Das hilft vielen schon", sagt Rafael.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de richtet sich nicht nur an Insider, Jugendarbeiter oder Lehrer. "Wir wollen Menschen erreichen, die sich für das Thema bislang gar nicht interessiert haben", sagt Rafael. Für Einsteiger hat sie ein Lexikon ins Netz gestellt, das zum Beispiel erklärt, warum Skinheads Glatzen tragen und dass die Zahl "18" für die Initialen Adolf Hitlers steht: A ist der erste Buchstabe im Alphabet, H der achte. Ein interaktiver Wissenstest bietet schlagfertige Antworten auf rechte Parolen. Simone Rafael hat gelernt, auf Dumpfsinn wie "Deutschland den Deutschen" knallhart mit Fakten zu reagieren: "Die erwerbstätigen Ausländer erwirtschaften hier jährlich 15 Milliarden Euro mehr, als die Bundesrepublik für die Ausländer insgesamt ausgibt."