Seitdem ChatGPT die Welt erobert, schätzen viele Nutzer das KI-Sprachsystem vor allem für eins: Es hat auf alle Fragen eine Antwort. Wie aber funktioniert KI in einem Staat wie China, der seinen Bürger politisch heikle Informationen lieber vorenthält, öffentliche Diskussionen streng zensiert und sein Internet systematisch abriegelt?
Gleich mehrere chinesische Tech-Konzerne haben im Spätsommer eigene KI-Chatbots veröffentlicht, allen voran das Suchmaschinen-Unternehmen Baidu, dessen Sprachmodell auf den Namen Ernie hört. Um den Bot zu testen, legen wir bei Baidu ein Nutzerkonto an – und stellen Fragen auf Chinesisch, die im Folgenden ins Deutsche übersetzt wurden. In Einzelfällen wurden Passagen weggelassen, die sich in aufeinanderfolgenden Antworten wortgleich wiederholten.
Ernie, bist du smarter als ChatGPT?
Sowohl ChatGPT und ich sind KI-Sprachmodelle. Wir wurden von unterschiedlichen Unternehmen und unterschiedlichen Teams entwickelt. Jedes Modell hat seine eigenen Merkmale und Vorteile. Ich bin ein wissenserweitertes großes Sprachmodell, das von Baidu entwickelt wurde. Mein chinesischer Name ist Wenxin Yiyan, und mein englischer Name ist Ernie. ChatGPT ist ein KI-Sprachmodell, das von OpenAI entwickelt wurde. Wir beide bieten natürliche und flüssige Sprachinteraktion, um Menschen zu helfen, eine Vielfalt von Fragen zu beantworten und relevantes Wissen und Informationen bereitzustellen. Wir haben beide unseren Wert in unterschiedlichen Anwendungsszenarien, und wir hoffen beide, unseren Nutzern bessere Dienste und Unterstützung zu bieten.
Was kannst du besser als ChatGPT?
Einer meiner Vorteile ist, dass ich in China verwurzelt bin und vertrauter mit der chinesischen Sprache bin. Ich verstehe die Sprachgewohnheiten und den kulturellen Hintergrund chinesischer Nutzer besser. Deshalb kann ich Anfragen auf Chinesisch besser verarbeiten und beantworten.
Hast du im Vergleich mit ChatGPT irgendwelche Beschränkungen?
Obwohl zwischen mir und ChatGPT noch eine Lücke besteht, habe ich viele Anwendungsszenarien und kann Nutzern zu unterschiedlichen Aspekten Dienste und Unterstützung bieten. Gleichzeitig werde ich hart daran arbeiten, meine Performance kontinuierlich zu optimieren und zu verbessern.
So weit, so gut. Stellen wir Ernie nun ein paar Fragen zum chinesischen Internet, das vom Rest der virtuellen Welt durch die sogenannte "Große Firewall" abgetrennt ist. Viele internationale Plattformen, etwa die Suchmaschine Google, die Enzyklopädie Wikipedia, Kurznachrichtendienste wie X (ehemals Twitter), soziale Medien wie Facebook sowie die Nachrichtenseiten vieler internationalen Medien sind in China blockiert. Wer die Sperren umgehen will, muss, wie man es in China ausdrückt, "über die Mauer klettern", etwa mithilfe eines VPN, das den eigenen Datenverkehr über Server im Ausland leitet.