Haushaltschaos Lindner feuert Gatzer – dieser Rauswurf kann für die Koalition böse Folgen haben

Minister Lindner mit Staatssekretär Gatzer: In den Ruhestand geschickt
Minister Lindner mit Staatssekretär Gatzer: In den Ruhestand geschickt
© Tobias SCHWARZ / AFP
Werner Gatzer überlebte als Staatsekretär im Finanzministerium drei Finanzminister. Nun versetzt ihn Christian Lindner in den einstweiligen Ruhestand. Das könnte sich rächen.

Es klingt nach warmen Worten zum Abschied eines wohlverdienten Mitarbeiters. In der internen Mail, in der Christian Lindner sein Ministerium am Freitagnachmittag über die Versetzung seines Staatssekretärs Werner Gatzer in den einstweiligen Ruhestand zum Jahresende informierte, schlägt der Bundesfinanzminister einen freundlichen Ton an. 

Gatzer habe sich „mit hohem persönlichen Engagement und viel Energie für das BMF und den Bundeshaushalt eingesetzt“, schreibt Lindner und weiter: „Rheinischer Humor und großes Pflichtbewusstsein zeichnen ihn gleichermaßen aus. Er hat sich um unser Land verdient gemacht.“

Blumige Worte für Knallhart-Rausschmiss

Tatsächlich verbirgt sich hinter den blumigen Worten ein knallharter Rausschmiss. Inhaltlich mag das nachvollziehbar sein: Werner Gatzer gilt als Erfinder jenes Buchungstricks, mit dem die Schuldenbremse angefedert und der der Koalition jetzt beim Bundesverfassungsgericht zum Verhängis wurde.

Die Schuldenbremse hat viele Väter

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Entscheidung, die Schuldenbremse einzuführen, war eine politische. Vorgeschlagen von einer Föderalismuskommission, die vom SPD-Mann Peter Struck und dem damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) geleitet wurde. Durchgesetzt unter einer schwarz-roten Regierung mit der Zweidrittelmehrheit des Bundestags.

Der Rauswurf überrascht noch in anderer Hinsicht. Werner Gatzer galt nicht nur als graue Eminenz der Finanzpolitik, sondern auch als unantastbar. 2005 hatte ihn der damalige Finanzminister Peer Steinbrück zum Staatssekretär im Ministerium gemacht. Und das war er geblieben, unter allen Finanzministern, die folgten - egal welcher Couleur. Von einer ganz kurzen Unterbrechung Anfang 2018 abgesehen. Da hatte der neue Finanzminister Olaf Scholz seinen Parteifreund nach nur einem Monat Abwesenheit wieder ins Ministerium zurückgeholt.

Alle maßgeblichen finanzpolitischen Entscheidungen von fast zwei Jahrzehnten tragen die Handschrift von Gatzer. Sein Detailwissen ist legendär, ebenso wie sein Ruf, ein harter Verhandler zu sein. Zugleich war er stets loyal gegenüber seinem jeweiligen Dienstherrn. Auch deshalb hielten alle Minister an ihm fest.

Gatzer ist mehr als ein Bauernopfer

Dass Lindner ihn nun rauswirft, wirkt, als habe er ein Bauernopfer ausgemacht, aber Gatzer ist mehr als ein Bauernopfer. Er ist wichtig, eine zentrale Figur in der Bundesregierung, seinen Abgang dürfte die Koalition noch zu spüren bekommen.

Aber mit Gatzers Rauswurf lenkt Lindner auch von sich ab. Müsste nicht eigentlich der Finanzminister selbst sein, der für den Fehler einstehen sollte? Der Haushalt, der laut Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig ist, fällt in seine Zuständigkeit.

Einen hohen Preis wird Lindner aber so oder so bezahlen. Er hat - nach allem, was man hört - den Rauswurf ohne Abstimmung mit dem Bundeskanzler beschlossen, der mit Gatzer einen Vertrauten verliert. Das wird das Klima zwischen Scholz und Lindner, zwischen der SPD und der FDP nicht eben verbessern. Dass Gatzer noch bis zum Jahresende weitermachen soll, obwohl sein Rauswurf längst ausgemacht ist, ist ebenso selbstsam.

Im Finanzministerium war Gatzer beliebt. Dass der 65-Jährige so kurz vor der Pension rüde entfernt wird, ist kein gutes Signal ins eigene Haus.

Am schwersten aber wiegt, dass keiner den Haushalt besser kennt als Gatzer. In Zeiten, in denen die Regierung verzweifelt nach haushaltpolitischen Lösungen sucht, ausgerechnet jenen Ministerialbeamten rauszuschmeißen, der sich in der Materie am besten auskennt, könnte sich für Lindner auch inhaltlich bitter rächen.

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