Meinung Die Wählertäuschung der Union: Schlimm, schlimmer, Söder

CSU-Chef Markus Söder
CSU-Chef Markus Söder: Trinken die Grünen den Kakao, durch den sie von ihm gezogen wurden?
© Matthias Balk / Picture Alliance
Markus Söder hat die Grünen wie den letzten Dreck behandelt. Jetzt sollen sie der Union eine Mehrheit fürs Milliardenpaket sichern. Der CSU-Chef ist die Ruchlosigkeit in Person.

Darf man eine Regierung aus Union und SPD, die zusammen nicht mal mehr die Hälfte der Wählerstimmen gewinnen konnten, noch eine Große Koalition nennen? Aber natürlich! Mehr denn je! Die Bezeichnung GroKo leitet sich inzwischen ab vom gigantischen Ausmaß der Schulden, die diese Koalition machen wird. Sie leitet sich ab von der Größe der Wählertäuschung, die CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zu verantworten hat. Und sie leitet sich davon ab, dass diese Koalition in Markus Söder den Politiker in ihren Reihen hat, der sich von allen die größten Unverschämtheiten herausnimmt. Merz‘ Wortbruch ist schon schlimm. Aber Söders Ruchlosigkeit ist noch viel schlimmer.

Markus Söder macht jetzt die Politik von Robert Habeck

Rund eine Billion Euro hat sich die künftige Koalition genehmigt. Sie will dafür den alten Bundestag fast buchstäblich in letzter Minute das Grundgesetz ändern lassen. Dieser Monsterwumms mag richtig in der Sache sein. Aber Politik ist nicht nur, was am Ende als Ergebnis steht. Politik ist auch, wie etwas zustande kommt. Und die Rolle von Markus Söder ist dabei besonders abgeschmackt.

Schwarz-Rot will ein Sondervermögen für die Modernisierung Deutschlands auflegen, für das 500 Milliarden Euro Schulden aufgenommen werden. Im Wahlkampf von Friedrich Merz und Markus Söder war davon keine Rede. Es wird für die Finanzierung der Bundeswehr die Schuldenbremse reformiert. Friedrich Merz und Markus Söder haben das in dieser Form bis zum Wahltag abgelehnt. Und sage keiner, der Bedarf für mehr Geld und die Frage, wo es herkommen soll, seien erst in den letzten Tagen klar geworden. Merz und Söder wollten es im Wahlkampf nicht hören und schon gar nicht beantworten.

Alles, was jetzt noch fehlt, ist die Zustimmung der Grünen, weil die künftige Koalition für ihr Vorhaben eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag braucht. Und genau das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen.

Monatelang hat Markus Söder über die Grünen hergezogen, den Wirtschaftsminister beschimpft, sich über die Außenministerin lustig gemacht. Friedrich Merz war auch nicht nett zu den Grünen, aber es wirkte noch wie die übliche Härte in der politischen Auseinandersetzung. Für Söder aber waren die Grünen keine konkurrierende Partei mehr, sondern der Inbegriff für alles, was in Deutschland angeblich falsch läuft. Die Härte, mit der sich Söder in Robert Habeck verbiss, gehörte nicht mehr ins politologische, sondern ins psychologische, wenn nicht ins medizinisch-psychiatrische Hauptseminar.

Jetzt aber sollen die Grünen, die Söder wie den letzten Dreck behandelte, der Mehrheitsbeschaffer werden für SPD, CDU und auch für die CSU. Sie sollen nach der Wahl das Geld freigeben für eine Politik, wie sie nicht die Union, wohl aber Robert Habeck vor der Wahl schon skizziert hat, als er von Söder noch behandelt wurde wie der Leibhaftige. 

Die Grünen sollen im alten Bundestag mit Union und SPD eine Zweidrittelmehrheit herbeistimmen, um einer Koalition Hunderte Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, die diese Koalition dann im neuen Bundestag mit einfacher Mehrheit ohne die Grünen ausgibt. Sie sollen die Hand heben für ein Infrastrukturprogramm, aus dem Geld auch in die Bahn fließen wird, die mehrere CSU-Verkehrsminister über Jahre haben verrotten lassen. Und sie sollen SPD, CDU und CSU das Geld in die Hand geben, von dem in guter alter Tradition besonders viel wieder nach Bayern fließen dürfte.

Ich kann verstehen, dass sich die Grünen zieren, den Kakao auch noch zu trinken, durch den Merz und vor allem Söder sie gezogen haben. Ich kann verstehen, dass sie zögern, angesichts der ungehemmten Ausgabenorgien, die sich im Sondierungspapier von Union und SPD abzeichnen. Sie sollten es trotzdem tun, für Deutschland, und um zu beweisen, dass jede und jeder an ihrer Spitze mehr staatspolitische Verantwortung für das ganze Land trägt als Markus Söder, der sie immer nur im Munde führt.

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