Diese Woche 4 Punkte
(Maximal sind 6 Punkte möglich)
Die Situation ist da. Zwei Wochen vor der Wahl wandelt Angela Merkel nun vollends im Geiste Obamas durch unser schönes Land. Dem Land der Freien, Heimat der Tapferen. Fernsehduell, Sonderzug, Totengedenken. Mikro, Retro, Nekro. Genau so hat es Obama auch gemacht. Nur wenige Wochen vor seiner Wahl begab er sich zu den Klippen über dem "Eternity Beach" auf Hawaii, um die Asche seiner Großmutter fotogen in den Pazifik zu streuen. Dann stieg er in einen historischen Sonderzug, fuhr nach Washington, und wurde Präsident.
Und so - ja genau so - begab sich nun auch Präsidentin Merkel zum Totengedenken nach Rhöndorf auf den Waldfriedhof. Dort, oberhalb des goldenen Rheins gedachte die Uckermärkerin ihres Großvaters Konrad Adenauer. Hoch über ihr der prachtvolle Mount Drachenfels, vor ihr das imposante Grabmal des ersten Kanzlers. Im Süden, Richtung Bad Honnef, glänzen die Perlen deutschen Mittelstands, Firmen wie "Birkenstock" und "Penaten", im Norden prosperieren "Haribo" und die "Telekom". Und über allem liegt der Frieden der 50er Jahre. Innehalten, Stille, Gebet. Eine Kranzschleife in schwarz-rot-gold. Dann Sonderzug ins Kanzleramt.
Was das alles mit der Wahl zu tun hat? Nichts eigentlich. Aber das hatte es bei Obama ja auch nicht.
Ulrike Posche ist Autorin des stern.
Diese Woche 5 Punkte
(Maximal sind 6 Punkte möglich)
Die beste Woche in Frank-Walter Steinmeiers politischer Karriere, ganz klar. Einen kurzen historischen Moment lang wird er nicht für einen Bürokratenlangweilerverlierer gehalten, und das alles nur, weil er das Fernsehduell mit hauchdünnem Vorsprung vor der Kanzlerin gewonnen hat, was mit zunehmenden Abstand zur Sendung in einen ganz großartigen Sieg uminterpretiert wird, woraus durch das permanente Geplapper der Medien dann auch tatsächlich ein ganz großartiger Sieg entsteht.
Und so absolviert der ganz großartige Sieger Steinmeier seinen Wahlkampf in geradezu euphorischer Stimmung, er winkt, er klatscht, er jubelt. Er sagt sogar zwei Fernsehrunden mit den Spitzenkandidaten aller Parteien ab - Merkel hat schließlich auch abgesagt, und er ist jetzt auf Augenhöhe mit der Kanzlerin. Seine Berater sprechen wegen dieser ganz großartigen Siegerwoche von einem "Befreiungsschlag" für die SPD, von einem "Befreiungsschlag" für Steinmeier persönlich, niemand in der Partei könne mehr davon sprechen, dass es der Kanzlerkandidat nicht drauf habe.
Wenn nur nicht die blöde Wirklichkeit dazwischen käme. Sitzt Steinmeier Mitte der Woche im ARD-Hauptstadtstudio und unterzieht sich bei acht jungen Radiosendern gleichzeitig einem "Kanzlercheck". Bei den jungen Hörern ist Steinmeier wieder der Bürokratenlangweilerverlierer. Warum Politiker immer so ein Zeug reden, das niemand verstehe, will einer wissen. Antwortet Steinmeier: "Der Vorwurf stimmt. Die Politikersprache hat sich verselbständigt. Wir hantieren mit Begriffen, die wir nur untereinander verstehen. Ich weiß das und mache deswegen so'n paar Dinge anders. Ich gehe ganz gern zu Kindernachrichtensendung und gebe dort Interviews. Ich gehe häufig in Schulen und mache dort Schulunterricht. Um mich zu testen, ob ich noch zu einer anderen Sprache fähig bin."
Hä?
Jens König ist Reporter des Berliner stern-Büros.