Zügige Koalitionsverhandlungen Regierung soll bis zum 9. November stehen

Angela Merkel drückt aufs Tempo: Bis zum 9. November, dem Jahrestag des Mauerfalls, soll die neue schwarz-gelbe Regierung stehen. Die Kanzlerin versprach, im Bündnis mit der FDP die soziale Balance im Land zu wahren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich "sehr schnell" mit den Chefs von FDP und CSU abstimmen, um eine Koalition bilden zu können. Das erklärte die CDU-Vorsitzende am Montag in Berlin nach Sitzungen der Führungsgremien ihrer Partei. Die Regierungsbildung solle "zügig" vorangehen, aber "Qualität geht vor Schnelligkeit", fügte Merkel hinzu. Ihr Ziel: Die neue Regierung soll bis zum Jahrestag des Mauerfalls am 9. November stehen. Bei einem ersten vertraulichen Vier-Augen-Gespräch mit FDP-Chef Guido Westerwelle am Nachmittag im Kanzleramt steckten beide den Fahrplan für ihre Koalitionsverhandlungen ab.

Zuvor hatte die Kanzlerin bei der ersten Pressekonferenz nach der Bundestagswahl betont, sie werde auch in der künftigen Regierung mit den Freien Demokraten darauf achten, "die Balance der Sozialen Marktwirtschaft auszutarieren". Eine neue Koalition aus Union und FDP werde sowohl in Achtung vor denen handeln, die Arbeitsplätze schaffen, als auch im Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Sie hob jedoch hervor, es werde "mehr Union geben in der neuen Regierung, als wir in der anderen hatten".

Westerwelle wohl bald Außenminister

Auch Westerwelle sprach sich für "zügige, aber auch gründliche" Verhandlungen aus. Die FDP werde versuchen, so viel wie möglich von ihrem Programm umzusetzen. "Wir werden sehr verantwortungsvoll mit dem Ergebnis der Wahl umgehen", betonte Westerwelle. Am Dienstag wird sich die neue FDP-Bundestagsfraktion konstituieren. Westerwelle wird erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren. Er will dann mit der Rückendeckung von Partei und Fraktion die Koalitionsverhandlungen führen - und dürfte nach erfolgreichem Abschluss neuer Außenminister werden. Daran ließ auch Merkel am Montagabend im ZDF kaum Zweifel. Wenn die neue Bundesregierung gebildet sei, so die Kanzlerin, werde "nach menschlichem Ermessen" ein Politiker der FDP die Nachfolge von Außenminister Frank-Walter Steinmeier antreten. Abschließend könne sie dies aber noch nicht sagen. Auch die Frage, wie viele Ministerposten die FDP erhalten werde, wollte Merkel nicht beantworten.

Steuersenkungen kommen, aber wann?

Sowohl Union als auch FDP kündigten an, ihr Wahlversprechen einzulösen und die Steuern zu senken. Streit könnte sich aber vor allem am Zeitplan entzünden. Merkel bekräftigte, dass weitere Steuersenkungen in der kommenden Legislaturperiode bis 2013 geplant seien. Einen konkreten Zeitpunkt ließ sie jedoch offen. CSU-Chef Horst Seehofer dagegen pocht auf Steuersenkungen 2011 und 2012. "Natürlich bleiben unsere Inhalte Grundlage für die Gespräche", sagte er in München. Eine Entlastung müsse im Koalitionsvertrag verankert werden. Westerwelle betonte: "Faire Steuern sind die Voraussetzung für gesunde Staatsfinanzen." Vorgesehen hat die Union ein Entlastungsvolumen von 15 Milliarden Euro, die FDP-Pläne brächten 35 Milliarden Euro.

An den von der FDP kritisierten Mindestlohnvereinbarungen will Merkel allerdings nicht rütteln. "Bei den Mindestlöhnen nehme ich nichts zurück", kündigte sie an. Bei dem Wunschpartner FDP waren die staatlich verordneten Lohnuntergrenzen auf scharfe Kritik gestoßen. Auch bei der von den Liberalen kritisierten Gesundheitsreform will die Kanzlerin keine wesentlichen Änderungen vornehmen: "Ich sage ihnen auch, dass die Grundstruktur des Gesundheitsfonds nicht angetastet wird."

Selbstkritischer Rückblick

Für die Kanzlerin stand neben dem Blick nach vorn auch Selbstkritik auf der Tagesordnung. So will Merkel die Ursachen für die Verluste der Union bei der Wahl unter die Lupe nehmen. "Wir werden in einer Wahlanalyse uns noch einmal umfassend anschauen, was der gestrige Tag insgesamt für das Parteienspektrum in Deutschland bedeutet, was eine Volkspartei der Mitte - und das ist die CDU - daraus auch lernen muss", sagte die CDU-Chefin. Als Beispiel nannte sie die Erreichbarkeit jüngerer Wähler. CDU/CSU hatte mit 33,8 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1949 eingefahren.

So geht die Kanzlerin mit der Analyse auch auf Kritiker aus den eigenen Reihen ein: Mehrere CDU-Führungspolitiker fordern nach den Unions-Verlusten ein schärferes Parteiprofil, um künftig wieder die 40 Prozent-Marke zu knacken. "Die CDU muss für sich beanspruchen, bundesweit und in den Ländern als Volkspartei der Mitte über 40 Prozent zu kommen", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff. "Mit der FDP geht's leichter, wieder Profil zu zeigen." Hessens Regierungschef Roland Koch sieht die Schärfung des Wirtschaftsprofils in einer schwarz-gelben Koalition als entscheidend an. Die CDU werde aber auch auf soziale Balance achten.

Kritik an Merkels Wahlkampfstrategie

Der Wirtschaftsflügel der Union machte die Strategie von Merkel für die Verluste verantwortlich. "Der Wahlkampf war viel zu eng an die Sache und die Personen der SPD angelehnt", sagte der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann (CDU), dem "Handelsblatt".

Koch kritisierte indirekt die bayerische Schwesterpartei. "CDU und CSU leben in einem Spannungsfeld miteinander." Dies dürfe aber nicht zum Streit werden. "Sicherlich werden wir in der Analyse entlang dieser Fragestellung noch mal ein paar Details diskutieren", sagte Koch. Die CSU war im Wahlkampf etwa mit der Forderung nach einem Datum für Steuersenkungen vorgeprescht. Bei der Wahl zahlte sich das aber nicht aus: Mit 42,6 Prozent schnitt sie in Bayern noch schlechter ab als bei der Landtagswahl 2008.

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