Im Großraum Stuttgart sind die knallgelben Züge von Go-Ahead berühmt-berüchtigt. Zu Stoßzeiten hören Pendler häufiger folgende Durchsage: "Bitte können ein paar Leute wieder aussteigen, wir können unsere Fahrt nicht fortsetzen – aufgrund zu hohen Gewichts."
Angeblich schließen wegen des Übergewichts die Waggontüren nicht, wodurch die Weiterfahrt verhindert wird. In der Praxis kommt kaum ein Fahrgast der Aufforderung des Personals nach, wie die "Stuttgarter Nachrichten" berichten. Zum Teil wird sogar die Bundespolizei gerufen, damit Passagiere den Zug verlassen und der Regionalzug seine Reise fortsetzen kann.
Nach Auskunft des Bahnunternehmens, einer deutschen Tochterfirma der britischen Go-Ahead, gibt es Probleme mit den Sensoren im Türbereich und "auf den Klappen für die Spaltüberbrückungen". Angeblich handelt es sich um einen Softwarefehler, den der Schweizer Fahrzeughersteller Stadler Rail beheben soll.
S-Bahnen verschönern die Statistik
Die Deutsche Bahn hat für den Januar 2020 ihre Pünktlichkeitswerte bereits veröffentlicht. Grundsätzlich werden die Angaben zwischen Fern- und Regionalverkehr unterschieden. Demnach hatten 84,3 Prozent aller Fernzüge eine Verspätung von unter sechs Minuten. Die Regionalbahnen verkehrten mit einer Pünktlichkeitsrate von 95,7 Prozent. Die relativ guten Werte sind auch eine Folge des milden Winters.
Doch schaut man sich die stets besseren Zahlen des Regionalverkehrs genauer an, stellt man große Unterschiede in den einzelnen Bundesländern fest. So kamen Hamburg und Berlin im Jahresdurchschnitt (2018) auf Top-Werte von 97,7 und 97,3 Prozent, während Schleswig-Holstein und Bremen nur 89,9 und 86 Prozent erreichen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass in die Statistik der beiden größten deutschen Städte auch die Fahrten der S-Bahnen mit einfließen, die in einem viel dichteren Takt kürzere Strecken zurücklegen und so das Ergebnis der Regionalzüge beschönigen.
In großen Verkehrsverbünden werden die S-Bahn und Regionalzüge im Auftrag der Länder bestellt und bezuschusst. Nach der Marktöffnung ab Ende der 1990er Jahre sind durch Ausschreibungen mehr und mehr private Anbieter in das Geschäft eingestiegen, wie auch Go-Ahead oder die Nordwestbahn, die vor allem in Niedersachsen Orte miteinander verbindet.
Unzuverlässige Nordwestbahn
Dieses Tochterunternehmen der Transdev trägt auch zu den schlechten Werten des Landes Bremen bei. Unter Pendlern gilt die Nordwestbahn auf mehreren Strecken als unzuverlässig. Laut "NDR" sind in den vergangenen zwei Jahren die Linien Wilhelmshaven-Bremen und im Bereich Delmenhorst-Bremen besonders betroffen.

"Deren Züge sind zu 90 Prozent zu spät, ob nur ein paar Minuten oder auch 20 Minuten. Bis zum Komplettausfall ohne Begründung habe ich schon alles erlebt", sagt die Studentin Sophie, die mehrmals pro Woche auf der Strecke Lohne-Bremen pendelt. "Pünktliche Fahrten kann ich an einer Hand abzählen."
Auf der eingleisigen Strecke häufen sich die Verspätungen. "Mehrmals am Tag muss der Zug in Vechta oder Wildeshausen länger als 5-10 Minuten warten, weil der Gegenzug verspätet kommt. Dadurch nehmen die Verzögerungen enorm zu." Manchmal führe der Zug nur bis Wildeshausen oder Delmenhorst. "Da muss man dann selber sehen, wie man nach Bremen weiterkommt", so die 23-Jährige.
Damit nicht genug. Dem stern berichtet sie, wie vorsintflutlich es zugehen kann. "Oft passiert es auch, dass der Lokführer aussteigen und die Bahnübergänge sichern oder Weichen von Hand umstellen muss."

Die Häufung von Zugausfällen führte für die Nordwestbahn bereits im Jahr 2018 zu einer Strafzahlung in Höhe von zwei Millionen Euro an das Land Niedersachsen. Wie auch viele andere Bahnunternehmen leidet auch die Nordwestbahn unter Personalmangel. Insbesondere werden Lokführer gesucht. "Im Jahresdurchschnitt standen 100 offenen Stellen nur noch 25 als arbeitssuchend gemeldete Lokführer gegenüber", teilte die Allianz Pro Schiene kürzlich mit.
Bei einem Bahngipfel im Wilhelmshafen im vergangenen Dezember wurde Druck auf den Betreiber ausgeübt. "Ohne schnelle Verbesserungen im Bahnbetrieb stünden die Verträge mit dem Unternehmen auf der Kippe", berichtete der NDR. Noch wurde der Nordwestbahn bis Ende März 2020 eine Frist eingeräumt, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Doch als letzte Konsequenz kann der Vertrag mit dem Bahnunternehmen gekündigt werden.
Quellen: "Stuttgarter Zeitung", Deutsche Bahn, NDR.de
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